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Freitag, 19. April 2024

Bauten und Denkmale

Der Altar der Deutschordenskirche 
100 Jahre Königin Luisen-Brücke
Die Deutsche Straße
Die Entwicklung der öffentlichen Gebäude Tilsits

Der Altar der Deutschordenskirche

Stadtkirche in Bartenstein
Innenraum mit Altar
Altar unterer Teil
Altar oberer Teil
Beichtstuhl

Bei einer Reise nach Tilsit führt der Weg manchmal auch über Bartenstein (heute Bartoczyce). Wenn dieser Ort nicht direkt auf Ihrer Route liegt, ein Umweg aber möglich ist, sollten Sie, mindestens, wenn Sie Tilsiter oder Tilsitinteressierter sind, diesen Umweg einplanen. Die katholische Stadtkirche beherbergt einen tilsiter Schatz.

Ingolf Koehler berichtet dazu im 19. Tilsiter Rundbrief (Ausgabe 1989/90):

Altar der Deutschordenskirche wurde gerettet

Zu den bekanntesten Wahrzeichen Tilsits gehörte neben der Königin Luise-Brücke als weitaus älteres Bauwerk die Deutschordenskirche. Der barocke Turm dieser Kirche grüßte schon von weitem die Anreisenden, aus welcher Richtung sie auch kamen: aus Übermemel, memelabwärts aus Ragnit, memelaufwärts aus Schanzenkrug oder von Süden über die Reichsstraße 138.
Die Deutschordenskirche, bis 1933 Stadtkirche und im Volksmund auch heute noch „Alte Kirche" genannt, hatte Bombenangriffe und Kampfhandlungen während des 2. Weltkrieges leidlich überstanden. Doch dann verfiel das Bauwerk zusehends, nachdem es beim Wiederaufbau der (zunächst hölzernen) Memelbrücke als Holzlager und Sägewerk genutzt wurde. Nichts blieb übrig von dieser Kirche, deren einstiger Standort in eine Grünfläche umgewandelt und in den früheren Fletcherplatz eingebunden wurde. Um so sensationeller klingt die Nachricht, daß der Altar der Deutschordenskirche nach mehr als 40 Jahren im polnisch verwalteten Teil Ostpreußens aufgetaucht ist und von einer ehemaligen Tilsiterin, die heute in der südlichen Hälfte unserer Heimatprovinz lebt, als Altar der alten Kirche wiedererkannt wurde. Wie kam es zu diesem sensationellen Fund:
Im Herbst 1944 näherte sich die Rote Armee von Osten und Norden her der Memel. Im Oktober wurde Tilsit von der Zivilbevölkerung geräumt. Deutsche Pioniere sprengten am 22. Oktober die Königin Luise-Brücke. Tilsit wurde Frontstadt. Pioniere, die Technische Nothilfe und andere Einheiten gingen daran, technische und kulturelle Einrichtungen zu demontieren und nach Westen abzutransportieren. So ist den Tilsitern seit langem bekannt, daß auch die Statue des Tilsiter Freiheitsdichters Max von Schenkendorf vom Schenkendorfplatz entfernt und auf einen Güterzug verladen wurde. Nicht bekannt war die nunmehr bestätigte Tatsache, daß auch der Altar der Deutschordenskirche ausgelagert wurde. Durch den raschen Vorstoß der sowjetischen Truppen wurde Ostpreußen Anfang 1945 vom übrigen Reichsgebiet abgeschnitten. Bekanntlich war eine Flucht nur noch über das Frische Haff und über die Ostsee möglich. Die Spuren der ausgelagerten Güter konnten nicht mehr weiterverfolgt werden.
Ein glücklicher Zufall führte schließlich zum Tilsiter Altar, genauer gesagt: zu den Einzelteilen dieses Altars, die, in Kisten verpackt, in eine Kleinstadt transportiert wurden. Der Altar soll in einer katholischen Stadtkirche im polnisch verwalteten Teil Ostpreußens neu erstellt werden. Die Einzelteile sind in einem Haus über mehrere Etagen verteilt und werden dort in mühevoller Kleinarbeit bearbeitet. Die Gemälde und Figuren haben durch die jahrelange Lagerung stark gelitten. Farben sind verblaßt, die Farbträger wurden brüchig und die Hölzer der Gesimse und der Tragkonstruktion sind morsch und müssen teilweise erneuert werden.
Große Schwierigkeiten bereitete die Rekonstruktion des Altars. Konstruktionszeichnungen waren nicht vorhanden. Die Einzelteile selbst und unzulängliche Fotos dienten als Vorlage für die Anfertigung einer neuen Konstruktionszeichnung, die inzwischen abgeschlossen werden konnte und alle Einzelheiten darstellt. Der Erfolg der polnischen Restauratoren zeichnet sich bereits jetzt ab. Einige der Heiligenfiguren sind schon überarbeitet und neu bemalt worden. Der Fortgang der Arbeiten berechtigt zu der Hoffnung, daß der Altar, der mit kirchlichen Ereignissen so vieler Tilsiter Familien verbunden ist, bald wieder an würdiger Stelle betrachtet und bewundert werden kann. Nach den Dispositionen der polnischen Restauratoren in Bartenstein (Bartoczyce) soll der wiederhergestellte Altar in ein bis zwei Jahren aufgestellt werden. Zu gegebener Zeit wird an dieser Stelle weiter darüber berichtet.

Im TILSITER RUNDBRIEF 20 (Ausgabe 1990/91) konnte Ingolf Koehler über den erfolgreichen Abschluß der Restaurierung berichten: 

Tilsiter Altar wieder aufgestellt

Im 19. Tilsiter Rundbrief wurde darüber berichtet, daß der Altar der Tilsiter Deutschordenskirche gerettet wurde und von polnischen Restauratoren hergerichtet wird, um in einer jetzt katholischen Kirche aufgestellt zu werden. Es galt nicht nur, die zerlegten Einzelteile, Gemälde und Figuren aufzufrischen und neu zu bemalen, sondern verrottete Holzteile zu erneuern. Außerdem mußte ein verlorengegangenes Gemälde durch ein anderes
ersetzt werden. Nach zweijähriger Arbeit konnten die Arbeiten im Sommer 1990 abgeschlossen werden. Der Tilsiter Altar erstrahlt, mit einigen kleinen Veränderungen, im neuen Glanze an würdiger Stelle und zwar in der Stadtkirche zu Bartenstein (Bartoczyce). Geweiht wurde er am 19. August 1990.
Wer Gelegenheit hatte, den Altar - oder besser gesagt die Einzelteile - vor oder während der Restaurierung zu sehen, wird beim Anblick des wiedererstellten Altars bzw. des hier abgedruckten Fotos seinen Respekt vor der handwerklichen und künstlerischen Leistung der polnischen Restauratoren nicht versagen.
Lotterose Ehmke aus dem früheren Kreis Bartenstein war eine der ersten, die den aufgestellten Altar besichtigen konnte. Sie war nicht nur angetan von diesem Altar, sondern auch vom Gesamteindruck der Stadtkirche. Die Renovierung ist angelehnt an frühere Zeiten, wie sie selbst feststellte. Restauriert wurden auch die bleiverglasten Fenster und die Kanzel. Außerdem ist eine neue Orgel eingebaut worden.
Auch die ehemaligen Tilsiter werden sicher Gelegenheit haben, die Stadtkirche von Bartenstein zu besichtigen, wenn sie als Touristen den südlichen Teil ihrer Heimatprovinz besuchen. Manch einer von ihnen wird beim Anblick dann auch zurückdenken an seine persönlichen Beziehungen zu diesem Altar: an die Taufe, an die Konfirmation oder an die Trauung. 

Ergänzend zu den Berichten sei bemerkt: 

Die Stadtgemeinschaft Tilsit hat dem Restaurator mit Rat und Tat geholfen. Ingolf Koehler konnte mit alten Fotos und aus der Erinnerung die Einzelteile vor Ort identifizieren und dem Restaurator Hinweise gegeben, die ihm halfen, sich  eine Vorstellung von dem  Gesamtwerk des Altars zu verschaffen. 
Was bisher nicht beschrieben wurde und darum auch nicht allen bekannt ist, auch die beiden Beichtstühle, die am Eingang der Kirche aufgestellt sind, stammen aus der tilsiter Deutschordenskirche und hatten das gleiche Schicksal wie der Altar.
Nicht geklärt ist bisher, woher die Beichtstühle, ein Indiz der katholischen Kirche, stammen und wie sie in die protestantische Kirche in Tilsit gelangt sind.

Quelle: Tilsiter Rundbriefe 19 und 20
Autor:   Ingolf Koehler
Überarbeitung und Ergänzungen: Manfred Urbschat
Fotos: Manfred Urbschat

 

               

100 Jahre Königin Luise-Brücke

Die Königin Luise-Brücke 1935

 

 

Der Brückenschlag über den Memelstrom

Tilsit um 1828 Schiffsbrücke über den Memelstrom
Eine hölzerne Schiffsbrücke war der Vorläufer der Königin Luise-Brücke
1905 Während des Brückenbaus verband eine Pontonbrücke beide Ufer
Von der memelländischen Seite wächst die Brücke Tilsit entgegen
Blick auf die der Vollendung entgegengehenden Brücke
Einweihung der Königin Luise-Brücke durch Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen
Medaille zur Einweihung der Brücke
Das Portal Foto Archiv
Memel mit Luisenbrücke im Winter Foto: Archiv
Luisenbrücke Tilsit 1915 Alte Postkarte
Die Königin Luise-Brücke nach der Sprengung vom 22.10.1944 Foto: Kragenings
Die Brücke in Holzkonstruktion von 1947 - 1965 Foto: Boiko
Die Königin Luisen-Brücke heute Foto: Jakow Rosenblum
Foto: Jakow Rosenblum

Vor hundert Jahren entstand die Königin Luise-Brücke

Ein Beitrag von Hans Dzieran 
Schon seit der Ordenszeit besaß Tilsit dank seiner geografischen Lage eine große Bedeutung für Wirtschaft und Verkehr. Hier war der Schnittpunkt zweier bedeutender Handelswege. Das war einmal der mächtige Memelstrom als Wasserstraße und zum anderen die Landverbindung ins Baltikum, die an dieser Stelle den geeigneten Übergang über die Memel fand, denn östlich von Tilsit erschwerten diluviale Steilhänge und im Westen die sumpfige Niederung des Deltas eine Stromüberquerung
Die Überquerung der Memel wurde ursprünglich mit Hilfe von Fähren bewerkstelligt. Die erste Fährverbindung ließ Herzog Albrecht um 1600 errichten. Sie reichte schon bald nicht mehr aus und nach dringenden Bitten der Stadt erhielt diese die herzogliche Genehmigung zum Bau einer eigenen Fähre, der sogenannten Stadtfähre. Dennoch hatten beide Fähren Mühe, den ständig wachsenden Handelsverkehr zu bewältigen, zumal bei Eisgang und Hochwasser der Übergang zum Erliegen kam. Nur bei Dauerfrost erlaubte das tragfähige Eis eine Verbindung zwischen beiden Ufern.
Abhilfe konnte nur eine Brücke schaffen. Erst  die Ereignisse des Siebenjährigen Krieges führten zum Bau einer Brücke über den Memelstrom. Die Russen hatten 1758 Tilsit erobert und hielten Ostpreußen vier Jahre lang besetzt. Es waren nicht nur wirtschaftliche Gründe, sondern vorrangig militärstrategische Erfordernisse, die zum Bau einer Floßbrücke durch russische Pioniertruppen führten. Sie wurde beim Abzug der Russen wieder zerstört.
Doch inzwischen hatten die Tilsiter den Vorteil einer Brücke kennen und schätzen gelernt und wurden beim König vorstellig. Friedrich der Große willigte ein und  gab eine neue Brücke in Auftrag. Sie wurde im Jahre 1767 in Betrieb genommen. Es war eine 340 m lange Schiffsbrücke, die auf 36 Pontons ruhte. Sie ermöglichte einen aufblühenden Handel und Wandel. Zu Zeiten des Tilsiter Jahrmarkts strömten so viele Fuhrwerke aus dem nördlichen Umland über die Brücke wie aus dem südlichen Kreisgebiet. Lebhafter Verkehr herrschte auch während der Heuernten. Zahlreiche Landwirte hatten ihre Wiesen auf der rechten Memelseite und transportierten das Heu über die Brücke zum Tilsiter Heeresproviantamt oder auf ihre Höfe.
Von großem Nachteil war, dass die Brücke bei den enorm anwachsenden Warenströmen zweimal täglich auseinandergeschwenkt werden musste, um Schiffe, Boydaks und Holzflöße durchzulassen. Und vor Beginn des Winters wurde sie ganz abgeschwenkt und ruhte bis zum Frühjahr im Tilszelehafen. Der Verkehr über die Memel wurde dann von der Königlichen Trajektanstalt notdürftig mit Hilfe von Fährkähnen oder -schlitten durchgeführt. Bei starkem Eisgang oder Hochwasser kam der Verkehr völlig zum Erliegen. Deshalb brachte der Bau einer Eisenbahnbrücke über den Memelstrom im Jahre 1875 eine gewisse Erleichterung. Sie verfügte auch über eine Fahrbahn für Fuhrwerke, die außerhalb der Zugverkehrszeiten genutzt werden durfte.
Doch um die Jahrhundertwende wurde immer deutlicher, dass ein moderner Brückenübergang geschaffen werden musste, der den wachsenden Ansprüchen von Handel, Verkehr und Schiffahrt gerecht wurde. Den Bemühungen von Oberbürgermeister Pohl, Landrat von Schlenther und des Tilsiter Bürgervereins war es zu verdanken, dass der Staat als Bauherr gewonnen werden konnte. Das Projekt schuf Baurat Kersies, ergänzt durch den Geheimen Oberbaurat Anderson. Im Spätherbst des Jahres 1904 begann die Herstellung der sieben massiven Brückenpfeiler aus Naturstein. Sie schufen die Voraussetzung, der starken Strömung und den Schwemmsandböden der Uferregion Paroli zu bieten. Im Folgejahr brachte die schlesische Firma Beuchelt & Co den Stahlbau auf. Die fachwerkartige, harmonisch gegliederte Konstruktion gewährleistete eine hohe Belastbarkeit der Brücke. Drei elegante Stahlbogen von je 105 Meter Länge schwangen sich über den Strom mit einer  mittleren Höhe von 19 Metern.
Die Gesamtbreite der Brücke betrug 12,55 Meter; die Breite der Fahrbahn 7,20 Meter. An der Südauffahrt befand sich ein 12 m breiter Schiffsdurchlaß mit einer Zugbrücke. Die auf dem ersten Brückenpfeiler befindlichen Maschinenhäuschen ermöglichten das Hochziehen und Senken der einarmigen Klappe in jeweils einer Minute.
Die Brücke hatte eine Gesamtlänge von 416 Metern. Beeindruckend  war das stadtwärtige Brückenportal. Es bestand aus Sandstein und war von zwei Türmen flankiert, die in ihrer barocken Gestaltung der benachbarten Deutschordenskirche angepasst waren. Es wurde zum Wahrzeichen der Stadt und fasziniert noch heute ihre Besucher. Ein Bronzerelief der Königin Luise mit der darunter befindlichen Inschrift KÖNIGIN LUISE-BRÜCKE krönte das Portal. Der bildnerische Schmuck der Brücke wurde nach Entwürfen des Regierungsbaurats Fürstenau durch den Bildhauer Walter aus Berlin-Friedenau ausgeführt.
Die Baukosten der Brücke beliefen sich auf rund 1,8 Millionen Mark und entsprachen der veranschlagten Summe. Die Finanzierung übernahm im wesentlichen das Reich. Provinz und Kommune beteiligten sich mit je 10 %.
Der 18. Oktober 1907 war ein denkwürdiger Tag. Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen war nach Tilsit gekommen, um die neue Brücke einzuweihen. Zwölf Uhr mittags hatten sich Ehrengäste und Behördenvertreter auf der Brücke eingefunden. Tausende von Tilsitern säumten den Platz vor der Brücke. Ein Sängerchor intonierte „Lobe den Herren“ und „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“, worauf das Bauwerk feierlich seiner Bestimmung übergeben wurde. Voller Begeisterung strömten die Menschen auf die Brücke  Viele nutzten auch Dampferfahrten, um die Brücke vom Strom aus in Augenschein zu nehmen. Bis in die Abendstunden feierte die begeisterte Menge bei den Klängen eines Promenadenkonzerts die Brückenweihe.
Zur Erinnerung an das denkwürdige Ereignis wurde eine Medaille herausgegeben. Sie hatte einen Durchmesser von 5 cm und trug auf der Vorderseite eine Abbildung der Brücke mit dem Datum der Einweihung und dem Schriftzug „Königin Luise-Brücke über die Memel, Tilsit“. Auf der Rückseite befand sich ein Porträt der Königin Luise.
Die ersten sieben Jahre nach der Einweihung trug die Königin Luise-Brücke zu einem enormen Wirtschaftsaufschwung bei. Doch dann drohte Ungemach. Der erste Weltkrieg brach aus. Um die Russen am Eindringen nach Ostpreußen zu hindern, wollte das Militär die Brücke sprengen. Nur durch das Verhandlungsgeschick des Oberbürgermeisters blieb die Brücke unversehrt.
Als nach wenigen Wochen die Russen abziehen mussten, waren sie es, die die Brücke zerstören wollten. Ein kühner Vorstoß von Hauptmann Fletcher rettete die Brücke.
Der Vertrag von Versailles machte die Memel zum Grenzstrom. Das jenseitige Memelland annektierten die Litauer. Mitten auf der Brücke kennzeichneten die Wappen mit dem deutschen Adler und dem litauischen Reiter den Grenzverlauf. Von nun an bestimmte zwei Jahrzehnte lang der kleine Grenzverkehr das Bild auf der Brücke.
Im März 1939 erlebte die Königin Luise-Brücke einen denkwürdigen Tag. Soldaten der Tilsiter Garnison marschierten über die Brücke ins befreite Memelland. Zwei Jahre später zogen erneut Wehrmachtskolonnen über die Brücke. Der Feldzug gegen die Sowjetunion hatte begonnen. Die Brücke musste in den nächsten Jahren vorrangig militärische Aufgaben erfüllen, bis im Oktober 1944 noch einmal deutsche Truppenteile die Brücke überquerten, diesmal aber in umgekehrter Richtung. Die Wehrmacht zog sich auf das südliche Memelufer zurück und bezog dort eine Abwehrstellung. Am 22. Oktober kam damit für die Königin Luise-Brücke das Aus. Sie wurde von einem Pioniertrupp der 5. Panzerdivision gesprengt und sollte das weitere Vordringen der Russen stoppen.
Für die Rote Armee war nach der Einnahme von Tilsit  der Bau eines neuen  Übergangs über die Memel von absoluter Dringlichkeit.  Sowjetische Pioniere hatten bereits in der Vorbereitungsphase der Offensive Holz in den Wäldern des Memellandes eingeschlagen und Pfosten und Balken für den Brückenbau vorbereitet. In kürzester Frist entstand eine Pfahlbrücke, mit deren Hilfe Truppenverstärkungen und Nachschub für die weiteren Kampfhandlungen herangeführt werden konnte. Ihre Lebensdauer war allerdings kurz. Sie wurde im Frühjahr 1946 von Wassermassen und Eisschollen weggerissen.
Es galt nun, eine dauerhaftere Lösung zu schaffen und die gesprengte Luisenbrücke wiederherzustellen. Spezialisten aus dem namhaften Kiewer Schweißinstitut kamen nach Tilsit und zerlegten mit Schneidbrennern die im Wasser liegenden Brückenteile. Die alten Brückenpfeiler wurden saniert und neue betoniert. Gleichzeitig begann die Fertigung einer Holzkonstruktion unter militärischem Kommando. Die Ordenskirche wurde zum Sägewerk umfunktioniert. Hierher lieferte ein Transportbataillon in rascher Folge Langholz aus dem Trappöner Forst an. Ein Bauregiment war mit dem Zuschneiden der hölzernen Bogenteile und des Fahrbahnbelags beschäftigt und nahm Montagearbeiten vor. Zeitweilig waren 3000 Soldaten beim Brückenbau eingesetzt. Bereits im Juli 1947 war die neue Brücke fertiggestellt. Sie sah mit ihren drei hölzernen Bogen der alten Luisenbrücke täuschend ähnlich. Die Freigabe für den Verkehr nahm der Kommandeur des Baltischen Wehrbezirks vor. Am erhalten gebliebenen Portal wurde das Porträt der Königin Luise demontiert und durch das Staatswappen der Sowjetunion ersetzt.
18 Jahre lang rollte der Verkehr über das neue Bauwerk. Der ständig steigende Güterverkehr mit immer schwerer werdenden Fahrzeugen forderte seinen Tribut. Zuletzt ächzte und wackelte der Bohlenbelag bedenklich. Den Rest besorgte 1965 ein Schwimmkran, der beim Durchfahren die Brücke mit seinem Ausleger beschädigte. Sie musste für den Verkehr gesperrt werden und wurde noch im gleichen Jahr abgerissen.
Eine zeitgemäße Lösung musste her. Es entstand eine nüchterne Betonbrücke in Stahl-Kastenträgerkonstruktion. Interessen des Denkmalschutzes blieben unberücksichtigt. Nur das südliche Brückenportal erinnerte an den einstigen Stolz der Stadt. Aber selbst dieser Anblick   unterlag nach dem Zerfall der Sowjetunion erheblichen Einschränkungen. Mit der neuen Zollgrenze zu Litauen entstand im Jahre 1992 vor dem Portal ein großes Abfertigungsterminal.
Im Verlauf der europäischen Osterweiterung erhielt die Brücke zur Jahrtausendwende von der EU den Status „Brücke des Friedens“ verliehen. Davon kündet am Memelufer ein Gedenkstein in englischer, litauischer und russischer Sprache. Eine Inschrift in deutscher Sprache sucht man vergeblich – an die deutsche Vergangenheit der Brücke soll wohl nicht erinnert werden.
Immerhin gelangte das Brückenportal im Jahre 2003 auf die Liste der kulturhistorischen Denkmäler. Die damit einhergehenden Restaurierungsarbeiten durch die St. Petersburger Firma Ekorem fanden ihren Höhepunkt mit der Anbringung des Porträts der Königin Luise am ursprünglichen Ort. Auch für die Sanierung der arg ramponierten Fahrbahn flossen finanzielle Mittel. Die litauische Firma „Viadukt“ trug einen neuen Asphaltbelag auf und erneuerte Gehwege und Geländer. Die Buchstaben KÖNIGIN LUISE-BRÜCKE werden noch gefertigt und sollen in Kürze angebracht werden.
Am 18. Oktober 2007 vollendete sich ein Jahrhundert, seitdem die Brücke entstand. Nicht nur Russen und Deutsche maßen dem Jubiläum große Bedeutung bei. Auch Europa gedachte an diesem Tage der Königin Luise-Brücke und ihrer wechselvollen Geschichte.

Alle Bilder stammen aus dem Archiv von Hans Dzieran und wurden für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt und kommentiert 

 

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Die Deutsche Straße war die älteste und breiteste (35m) unserer Heimatstadt.....
Ursula Meyer-Semlies führt uns durch die Deutsche Straße in den Jahren um 1940.
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Ursula Meyer-Semlies schreibt: "Noch ehe Tilsit 1552 das Stadtrecht erhielt,
gab es schon die "Deutsche Gasse", die parallel zur Memel lief und..." mehr lesen

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Die Öffentlichen Gebäude einer Stadt prägen das Aussehen dieser Stadt, sie geben aber auch einen Einblick in das kulturelle und materielle Leben in dieser Stadt.
In dem Beitrag "Die Beschreibung der Entwicklung der öffentlichen Gebäude Tilsits" gibt uns der Autor
Heinz Kebesch einen Überblick über die Geschichte der Stadt Tilsit und läßt sie plastisch vor unseren Augen entstehen.  Beitrag lesen

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