Die neue Schule in Rositten
(Ein Bericht vom Lehrer Klein, in dem er darstellt, wie der Bau eines neuen Schulgebäudes in Rositten genehmigt und erfolgreich durchgeführt wurde. Der Bericht umfasst dabei den Zeitraum von 1921 bis zur Fertigstellung des Gebäudes im Jahre 1929)
"Als ich am 1. Januar 1921 die zweite Lehrerstelle an der dreiklassigen Schule in Rositten, Kreis Pr. Eylau, übernahm, waren die Schulverhältnisse in diesem großen Ort nicht sehr günstig. Für die vollausgebaute dreiklassige Schule standen nur zwei Klassenräume zur Verfügung. Es musste Schichtunterricht erteilt werden. Im Winterhalbjahr hatten die drei Klassen (1 und 2. Schuljahr) von 8 bis 11 Uhr und anschließend die 2. Klasse (3 u. 4. Schuljahr) von 11 bis 15 Uhr nacheinander in demselben Klassenraum Unterricht. Eine Verlängerung des Unterrichts über 15 Uhr hinaus war nur in den Monaten Oktober und März möglich, da die Regierung angeordnet hatte, den Unterricht so zu legen, dass alle Kinder noch vor Eintritt der Dunkelheit zu Hause sein müssten. Im Sommerhalbjahr hatten die Oberstufe und die Mittelstufe vormittags, die Unterstufe nachmittags von 13 bis 16 Uhr, resp. 17 Uhr Unterricht. Diesen Schichtenunterricht hatte es nicht immer gegeben. Früher war eine Klasse (die zweite) in dem der Schule gegenüber liegenden Hause eingemietet. Dies wurde aber vom Sattlermeister Arthur Schulz erworben, der den Klassenraum für sich als Wohnung und Werkstatt benötigte. Der Bau einer neuen Schule oder der Erweiterungsbau des alten Schulgebäudes waren also dringend nötig geworden und wurde im Gesamtschulvorstand Rositten auch immer wieder beraten. Zu diesem Gesamtschulverband gehörten außer der Gemeinde Rositten noch die Güter Sodehnen und Gallingen. Zum Schulvorstand stellte die Gemeinde Rositten drei Mitglieder, jedes Gut ein Mitglied. So gehörten zum Schul-verband fünf Mitglieder und zwei Lehrer, diese aber nur in beratender, nicht mit beschließender Stimme.
Mit drei zu zwei Stimmen wurde trotz Drängen der Regierung der Schulbau immer wieder der Kosten wegen abgelehnt, bis eine Veränderung im Schulvorstand eine Mehrheit für den Schulbau ergab. Einer der eifrigsten Anhänger eines Schulbaus war Gutsbesitzer August Schröder aus Sodehnen. Da Bürgermeister Rehberg und Molkereibesitzer Fritz Flucht, der nun für ein verstorbenes Mitglied in den Schulvorstand gekommen war, auch die dringende Notwendigkeit des Schulbaus erkannten, wurde im Jahr 1927 der Regierung Königsberg der Beschluss zum Bauen mitgeteilt. Die Hauptlehrerstelle war damals unbesetzt. Unvergesslich ist mir der Ausspruch des Bauern Wilhelm Kinder, der sofort nach der Abstimmung sagte: "So, überstimmt bin ich. Da jetzt also doch gebaut wird, soll aber neu mit allen Schikanen gebaut werden." Diesem Ausspruch stimmte auch Rittergutsbesitzer Max Johann Gallingen zu.
In kürzester Frist schickte die Regierung den Herrn Regierungsbaurat Rautenberg vom Hochbauamt 1 in Königs-berg zu Verhandlungen heraus. Es wurde beschlossen, die Bauleitung dem Hochbauamt zu übertragen. Herr Rautenberg erklärte dem Schulvorstand, dass die Regierung das gesetzliche Baudrittel übernehmen würde und dass die Gemeinde ein Drittel selbst übernehmen müsste, der Rest durch langfristige Darlehen getilgt werden müsste. Die Gemeinde käme aber günstig fort, denn ihr Baudrittel könnte sie auf Hand- und Spanndienste anrechnen. Dann wäre nichts mehr davon zu bezahlen. Ferner war die Gemeinde bis zur Höchstgrenze der Schulabgaben belastet und würde deshalb die Raten für das Darlehen als Ergänzungszuschüsse wieder erstattet bekommen. Die Zukunft hat ergeben, dass beides stimmte.
Bei der Frage des Herrn Regierungsbaurats, wie sich die Gemeinde die Schule wünschte, wurde sofort beantragt, die zweite Lehrerwohnung ebenso groß wie die Hauptlehrerwohnung zu bauen. Dieses wurde auch genehmigt. Ebenso wurden für den zweiten Lehrer außer einem Holzstall auch noch ein Schweine- und ein Hühnerstall vorgesehen. Alles wurde genehmigt.
Wo sollte nun die Schule stehen? Man dachte zuerst an das Schulland. Jedoch lag dieses außerhalb des Dorfes und man wollte doch die Schule möglichst mitten im Dorf haben. Da kam ein großer Zufall dem Schulvorstand zu Hilfe. Auf dem höchsten Berg mitten im Dorf lag der Hof des Bauern Rückert, der vor kurzem verstorben war. Seine Frau wollte den ganzen Besitz mit circa 27 Morgen Land verkaufen. Das war der geeignete Schulplatz. Kurz entschlossen kaufte die Gemeinde den ganzen Besitz und zahlte ihn bar aus. Der Regierung wurde auf ihre Bedenken mitgeteilt, dass die Gemeinde keine Gelder zum Ankauf des Grundstückes beantragen würde, sondern dass sich dieser Kauf selber tragen würde. Die Zukunft lehrte, dass dieser Grundstückskauf ein gutes Geschäft war.
Sämtliche Gebäude wurden zum Abbruch verkauft. Für jeden Lehrer wurde ein Garten vorgesehen. An die Schule schloss sich ein vier Morgen großer Sportplatz an. Sodann wurde mit Genehmigung der Regierung das Lehrerland (12 Morgen) hinter den Sportplatz verlegt.
Das übrige Land wurde verkauft, teils als Ackerland, teils als Bauland und brachte so viel Geld, dass der Kaufpreis für das ganze Grundstück einkam. Außerdem hatte die Gemeinde noch das alte Lehrerdienstland von circa 12 Morgen zum Verpachten übrig behalten.
Im Jahr 1927 wurden die Ziegel von der Ziegelei Wildenhoff gekauft und im Winter 1927/28 abgefahren. Da in dem Winter viel und lange Schnee lag, konnte die frühere Bahnstrecke Wildenhoff - Steinbruch gut ausgenutzt werden. Durch bedingte Ausschreibung bekam Maurermeister Löffler (Preußisch Eylau) den Zuschlag, der auch gleich mit dem Bau anfing. Die Schule war ganz unterkellert, die Klassen waren im Quergiebel, zwei unten, eine im oberen Stock. Daneben war die Wohnung der Lehrerin, bestehend aus Flur, Küche, zwei Zimmern und Bad. In den Kellerräumen des Quergiebels befanden sich die Schulküche, die Speisekammer und der Werkraum.
Unter dem großen Schulflur waren die Duschen, der Heiz- und der Motorenraum. Die Wohnungen des Haupt- und zweiten Lehrers befanden sich im Hauptgebäude, je drei Zimmer in der Vorderfront, ein Zimmer nach dem Hof. Auf der Hofseite waren dann noch das Bad, Küche und Speisekammer sowie ein Mädchenzimmer. Sodann hatte noch jeder der beiden Lehrer auf dem Boden ein Oberzimmer. Ein langer Korridor zog sich mitten durch jede Wohnung. Die Größe jeder Wohnung betrug circa 120 m². Die örtliche Bauleitung hatte Polier Heß. Ihm war es zu verdanken, dass die Schule ein Steinfundament bekam. Da wir im Stablack wohnten, wo es ja viele Steine gab, war ein solches Fundament wohl auch am angebrachtesten. Die elektrische Installation hat in hervorragender Weise die Firma Bunzel ausgeführt. Wasser bekamen wir aus einem 23 m tiefen Brunnen, dessen Wasserader der Bauer Willi Kinder mit der Wünschelrute entdeckt hatte. Die Brunnenbauer hatten schon 23 m gegraben, ohne auf Wasser zu stoßen, ließen ihr Handwerkszeug im Brunnen, um zu Mittag zu gehen. Als sie am Nachmittag zurückkamen, waren 8 m Wasser im Brunnen und trotz schärfstem Auspumpen sank der Wasserspiegel nicht ab, so dass das Handwerkszeug drinbleiben musste. Pumpenbauer Keslowski (Hussehnen), der die Pumpanlange, die Duschen und das Badezimmer anlegte, musste eine Tiefsaugevorrichtung einbauen.
Als der Winter 1928/29 kam, war die Schule im Rohbau mit verglasten Fenstern und Türen fertig. Die Gemeinde kaufte nun 400 Zentner Koks und ließ von einem alten Mann den Winter über die Räume trocken heizen. Das hat sich so bewährt, dass es in der ganzen Schule keine nassen Wände oder Ecken gab und die Regierung die sofortige Tapezierung der Wohnungen gestattete. Die Malerarbeiten lagen in den bewährten Händen der Firma Franz Schäfer, Preußisch Eylau. Öfen, Herde, überhaupt sämtliche Töpferarbeiten wurden von der Firma Gnas, Preußisch Eylau, erstellt. Alle Arbeiten waren sehr sorgfältig ausgeführt und die Gemeinde konnte allen Firmen nur von Herzen dankbar sein.
Am 20. 09 1929 fand die feierlich Einweihung der Schule statt. Als prominenteste Gäste nahmen Herr Regierungs-präsident von Bahrfeld und Herr Landrat Neumann teil. Der Herr Regierungspräsident von Bahrfeld hob in seiner Rede besonders hervor, dass die Regierung in Rositten einen Schulvorstand vorgefunden hätte, der auf alle Anregungen der Regierung bereitwilligst eingegangen wäre. Als Anerkennung für das Vertrauen, das der Schulvorstand der Regierung dargebracht habe und das bald einmalig zu nennen sei, übergab er im Namen der Regierung ein Geschenk von 10.000 Reichsmark. Dieses sollte zur Einrichtung von Werkraum und Schulküche, sowie zur Planierung des Sportplatzes verwendet werden.
Der ganze Schulbau hat ungefähr 150.000 Reichsmark gekostet. Die Schule hatte den schönsten Platz mitten im Dorfe auf einem Hügel und war nach allen Seiten weithin sichtbar. Die Gemeinde hat außer den Hand- und Spanndiensten weiterhin keine Unkosten gehabt. Die Zinsraten für das aufgenommene Darlehen wurden durch Ergänzungszuschüsse der Regierung bezahlt. Das alte Schulland von 12 Morgen war noch übrig geblieben und wurde verpachtet. Die Einnahme aus dieser Pacht floss in die Schulkasse. Unsere liebe Schule soll noch stehen. Sie war durch eine Granate geringfügig beschädigt und ist wieder von den Russen ausgebessert worden.Heute soll sie als Aufenthaltsraum für die russische Grenzwache dienen."
(Hermann Klein, früherer Lehrer in Rositten, Zeitpunkt der Aufzeichnung ist nicht bekannt)
Die Schule ist baulich in einem "ordentlichen" Zustand. Das Gelände ist mit einem Zaun abgesperrt. Das Gebäude dient als Quartier / Standort der russischen Grenzpolizei, die die Grenze zu Polen überwacht und kontrolliert.
Im November 2005 startete ich den Versuch, die Schule zu besichtigen. Ein russischer Bekannter machte es möglich, dass ich das Gelände betreten konnte und mich umsehen konnte. Der Zutritt der Schule wurde nicht gestattet. Der Diensthabende Offizier stand für Fragen zur Verfügung und bestätigte, dass im Gebäude am herkömmlichen Zustand nicht viel geändert wurde.
Manfred Klein