Eva Droese - Kiel, 10. Mai 2007
Unter hellem Himmel
lag mein Jugendland,
doch es ist versunken
wie ein Bernsteinstück
im Sand
Agnes Miegel
Reise nach Königsberg
29. April bis 06. Mai 2007
Nach drei Jahren Heimat-Abstinenz wurde der Wunsch, noch einmal nach Hause zu fahren, immer größer und ich begann wieder zu planen. Herr Hübner von Partner – Reisen, Hannover, war gerne bereit, mir nach meinen Vorschlägen ein Reiseangebot auszuarbeiten, denn ich wollte schon beim Kreistreffen im September vorigen Jahres in Burgdorf meine Reise anbieten. In meinem Kieler Bekanntenkreis hatte ich schon vorgearbeitet denn alle meine alten, treuen Balgafreunde sind kaum noch in der Lage zu reisen. So waren nur drei Balgaer dabei, Sigrid Petzold (mit Freundin Inge Lawrenz), Bernd Sauer-Diete und ich.
Beim Kreistreffen in Burgdorf hatte ich das Glück, die total auf Heimat abgestimmte junge Frau Hülshoff kennen zu lernen. Sie warb für mich in ihrem Verwandtenkreis und so bekam ich fünf weitere angenehme Teilnehmer dazu: K. Hülshoff, Frau Dr. M. Matern, das Ehepaar Baesler und B. Stratmann.
Hinzu kam meine liebe Cousine E. Esser mit ihrem Neffen G. Hemgenberg. Aus Kiel kam meine Freundin E. Christoph mit ihren Söhnen Andreas und Bernd, sowie dem Bruder D. Link, Frau Schwarz, Frau Marie-Luise-Schütt und Frau. W. Hiort.
Den Herrn H. Depkat mit seinem Neffen Holger bekam ich von Partner-Reisen und somit hatte ich mein Soll, 20 Personen, zusammen. Nun konnten alle Vorbereitungen begonnen werden. Tanja in Königsberg hatte ich gebeten, unsere Gruppe zu führen, denn ich habe mit ihr die besten Erfahrungen gemacht und sie freute sich auf uns.
Wir wollten von Hamburg nach Memel, Flugplatz Polangen fliegen, denn eine Busreise, bei der man allein 4 Tage für Hin- und Rückfahrt verliert, konnte ich den älteren Teilnehmern und auch mir nicht zumuten.
Sonntag, 29.04.2007
Frühes Aufstehen war angesagt, denn das Flugzeug sollte um 8.10 Uhr in Hamburg starten und die Teilnehmer mußten weite Wege in Kauf nehmen denn unsere Gruppe setzte sich aus folgenden Städten zusammen: Berlin, Dortmund, Düren, Kiel, Köln, Magdeburg, Schwerte, Wiesbaden und aus der Lüneburger Heide.
Pünktlich trafen alle auf dem Flughafen ein, wir begrüßten uns freundlich und mir schien, dass schon ein Fünkchen Sympathie vorhanden war. Der Schalter wurde geöffnet und wir konnten einschecken. Der Vielflieger B. Christoph war mir bei den Kontrollen sehr behilflich, die Zeit verlief schnell und schon holte uns der Bus zum Flugzeug. Es war eine kleine litauische Maschine und als die Stewardeß alles erklärte, wovon wir natürlich nichts verstanden, setzte die Maschine pünktlich um 8.15 Uhr ab. Wir stellten unsere Uhren eine Stunde vor, denn im Osten gilt eine andere Zeit. Das Wetter war gut und der Flug ruhig. Beim Landeflug konnte man das Kurische Haff sehen. Um 10.45 nach dortiger Ortszeit landeten wir schon. Wir waren fast die einzigen Fluggäste und schnell hatten wir unser Gepäck. Vom Ausgang sahen wir schon einen kleineren Mercedes-Bus (zwar ausgemustert, aber noch in Ordnung) und eine warmverpackte Tanja, die uns fröstelnd begrüßte, denn es war kalt geworden.
Wir fuhren von Polangen bis Memel, etwa 35 km und Tanja informierte uns über die vielen Neubauten, denn Polangen war früher ein sehr beliebter Badeort und ist es auch jetzt. In Memel machten wir eine kleine Stadtrundfahrt, gingen auch zum Theaterplatz mit Ännchen von Tharau und die Frauen entdeckten Bernstein.
Memel hat seinen deutschen Charakter noch etwas bewahrt. Früher legten die Balgaer Seeleute gerne in dem Hafen an. Die Stadt zählt etwa 94.000 Einwohner. Vor dem Krieg lebten 200.000 Einwohner in der Stadt. Die Hafenanlagen umfassen 4 Häfen: Öl-, Fisch-, Fähr- und Handelshafen. Memel ist die drittgrößte Stadt neben Kaunas und Vilnus. Vilnus ist die Hauptstadt. Weiter geht die Fahrt in Richtung Fähre, wir fahren über das Memeler Tief und sind auf der Kurischen Nehrung. Das Wetter ist gut, wenn auch etwas kühl.
Die Nehrungsstraße ist gut ausgebaut, alles sieht ordentlich aus bis wir plötzlich die riesigen schwarzen Waldstücke sehen, die einem Flächenbrand zum Opfer gefallen sind. Schade um den Wald, aber wir müssen weiter, denn wir wollen möglichst bald in Nidden an der lit.-russ. Grenze sein. Bei der Fahrt können wir alles Schöne dieser Landschaft in uns aufnehmen. Die Nehrung misst von Sandkrug (Litauen) bis Cranz, (Russland) etwa 100 km. An der schmalsten Stelle bei Sarkau ist sie nur 400 Meter breit und an der breitesten etwa 4 km. Die bezaubernsten Erscheinungen auf der Nehrung sind die Dünen. Die Dünenkette zieht sich etwa 70 km lang und ist bis zu 60 Meter hoch. Etwa die Hälfte der Nehrung gehört zu Litauen und die andere zu Russland. Auf dem litauischen Teil befinden sich die auch früher gerne besuchten Kurorte: Sandkrug, Schwarzort und Nidden. Zur Zeit wohnen auf der gesamten Nehrung etwa 2000 Menschen und es befinden sich 8 Ortschaften auf diesem Landstrich. Fünf auf der litauischen und drei auf der russ. Seite. Es sind Sarkau, Rositten und Pillkoppen. Dieser Landstrich ist ein Kleinod. Die Einzigartigkeit dieser Landschaft zog früher, als es noch unser Land war, besonders Künstler an, Maler und Schriftsteller. Thomas Mann baute in Nidden sein Sommerhaus. Hier schrieb er auch das Buch: "Josef und seine Brüder". Seit 1987 ist die Kurische Nehrung zum Nationalpark erklärt und eine Attraktion für Naturbegeisterte. Sie wird auch Ostpreußische Sahara genannt und hinterlässt einen unauslöschlichen Eindruck in der Seele eines jeden Besuchers. Sie ist reich an Fauna und Flora und seit 2000 in der Weltliste der Unesco. Kiefern, Birken und Fichten, aber auch Eichen, Linden, Buchen und Ahorn prägen die vielseitige Vegetation. Vielseitig ist auch die Tierwelt: Elche, Rehe, Hirsche, Wildschweine, Dachse, Füchse, Biber und andere Tierarten kann man finden.
Inzwischen haben wir bei Nidden die litauische und russische Grenze passiert, es dauerte nur ½ Stunde und wir haben Hunger. Vorsorglich hat Tanja für uns in Pillkoppen eine wohlschmeckende Fischsuppe bestellt, denn es ist schon früher Nachmittag. Pillkoppen am Kurischen Haff ist, wie auch früher, wieder ein begehrter Badeort. Während man früher überwiegend bunte Fischerhäuschen sah, sieht man jetzt auf großen, abgezäunten Anwesen schöne neue Häuser und kleine Villen. Vermögende Russen bauen sich hier ihre Häuser oder Sommervillen.
Nachdem wir uns gestärkt haben fahren wir weiter, denn wir wollen noch die Vogelwarte aufsuchen und wir haben Glück, können noch einer Beringung beiwohnen. Entfernt sieht man die großen Fangnetze und es ist erstaunlich, mit welcher Geschicklichkeit die Mitarbeiter der Vogelwarte die Vögel aus dem Netz holen und gekonnt fassen. In einem Holzhaus werden die Vögel untersucht, die Flügel gemessen um das Alter festzustellen, das Bäuchlein angepustet ob es Männchen oder Weibchen ist und in einem kleinen Trichter gewogen, dann wird beringt. Der schönste Moment ist der, wenn der Vogel in die Freiheit fliegen darf.
Eine kleine Bemerkung zu der Vogelwarte: Die Kurische Nehrung ist eine Vogelbrücke zwischen Norden und Süden. Millionen verschiedenster Zugvögel suchen hier im Frühjahr und Herbst ihren Weg. Die Vogelwarte Rossitten ist am 01.01.1901 von Johannes Thienemann gegründet worden. Bereits 1896 beobachtete er den Zug der Vögel. Er war kein Ostpreuße. Die Vogelwarte Rossitten wurde nach dem Krieg nach Rudolfzell verlegt. Auch auf Helgoland und Hiddensee sind amtliche Zentralen für wissenschaftliche Vogelberingung. Allmählich machte sich bei unserer Gruppe auch schon die Länge des Tages bemerkbar und unser Bus strebte nach Königsberg. Tanja hatte die Zeit gut eingeschätzt und pünktlich um 18,30 Uhr scheckten wir im Hotel „Moskau“ ein. Das Hotel ist neu renoviert, alle waren mit ihrer Unterkunft zufrieden und um 19.00 Uhr konnten wir unser Abendessen einnehmen. Mit einigen Frauen ging ich zum Supermarkt, der unmittelbar am Hotel liegt, denn ich wollte ihnen zeigen wo wir unseren Bedarf an Mineralwasser decken können. Das Königsberger Wasser kann man nicht trinken. Wir waren alle müde und zogen uns zurück.
Montag, 30.04.2007
Ausgeruht und gut gefrühstückt besteigen wir unseren Bus zur Stadtrundfahrt. Tanja begrüßt uns fröhlich und gleich lernen wir die russischen Begrüßungsworte „Dobre utra“ kennen. Es heißt Guten Morgen.
Königsberg ist jetzt die Hauptstadt der westlichsten Region der Russischen Föderation und der einzige eisfreie Hafen Russlands an der Ostsee. Das Tor zu Europa auf dem Wasser, also das Tor zum Westen.
Königsberg, 1255 gegründet, bestand ursprünglich aus drei selbständigen Städten, der Altstadt, dem Löbenicht und dem Kneiphof. Erst 1724 wurden auf Befehl des Königs Friedrich Wilhelm I die drei Städte vereinigt. 1286 erhielt Königsberg das Stadtrecht, 1525 wurde sie Residenzstadt und im Krönungsjahr 1701 Königliche Residenzstadt.
Der Himmel ist etwas grau, aber es hellt sich später auf und es ist kühl.
Wir fahren durch die Hufen. Es war und ist auch heute ein begehrter Stadtteil, der bei dem Kampf um Königsberg fast nicht zerstört worden ist. Hier stehen noch Villen aus unserer Zeit und man sieht jetzt neue schöne Villen und Häuser, die von wohlhabenden Russen in den letzten 2 Jahren gebaut wurden. Wir fahren an der Parkanlage Luisenwal vorbei und sehen die Luisenkirche, in welcher sich ein Puppentheater befindet. In Ratshof stehen vereinzelnd Vorkriegsgebäude, wir sehen weiter die Waggonfabrik Steinfurth, die jetzt eine privatisierte Walzmühle ist und ich meine mich zu erinnern, dass die Zellstofffabrik auf dem Sackheim stand.
Königsberg hat 3 Hafenbecken. 1890 wurde der Seekanal gegraben, er ist die Verbindung zur Ostsee durch das Frische Haff, und es können Schiffe mit einer Tonnage von 3000 BRT bis Königsberg fahren. Die alte Reichsbahnbrücke ist jetzt mit ihren 2 Etagen die modernste Europas, Ebenerdig verläuft der Straßenverkehr, und der Eisenbahn gehört der obere Trakt. Es geht vorbei am Postamt 5, dem früheren Sackbahnhof. Wir sind am Hauptbahnhof, jetzt Südbahnhof.
Der Hauptbahnhof schon zu unserer Zeit ein moderner Durchgangsbahnhof, hat sein äußeres Bild behalten, obwohl er am 07.04.1945 hart umkämpft wurde. Das Innere ist zur 750-Jahrfeier total erneuert, auch die früher nicht empfehlenswerten Toiletten sind in Ordnung. Ich renne immer, bei jedem Besuch, zum Bahnsteig 4. Hier kamen wir an und hier fuhren wir wieder nach Hause. Die Erinnerungen sind da, wie unbeschwert waren wir doch damals als Fahrschüler.
In Bahnhofsnähe ist ein riesiger Supermarkt entstanden, einer von mehreren neuen Supermärkten. Das Warenangebot ist riesig, man kann einfach alles kaufen. Weiter bei unserer Fahrt sehen wir auf dem früheren Oberhaberberg die „Harmonie“ früher die Katharinenkirche. Justus Franz hat hier schon Konzerte gegeben. Der Leninprospekt, früher die Vorstädt. Langgasse, zieht sich von der ehemals Grünen Brücke hinauf zum Steindamm. Man erkennt die alte Reichsbahndirektion und weiter die Börse, heute das Haus des Seemannes. Der Kaiser-Wilhelm-Platz ist wohl durch Erdbewegungen verschwunden und die beiden Klappbrücken, Grüne und Honigbrücke, welche den Zugang zum Kneiphof bildeten gibt es auch nicht mehr. Pregel und Kneiphof werden jetzt von einer einzigen langen Brücke bis zum Steindamm überquert. Inzwischen sind wir beim Dom, dessen Bau 1333 beschlossen wurde und bis auf wenige Mauern zerstört war. Er ist mit überwiegend deutschen Mitteln wieder aufgebaut. Im Erdgeschoß des Turmes hat man zwei Gottesdiensträume eingerichtet: Einen für die Orthodoxen und einen für die Protestanten. Im 1. Stock befindet sich ein liebevoll eingerichtetes Kant-Museum. Im 2. Stock eine nach alten Plänen eingerichtete Bibliothek (noch ohne Bücher) und im 3. Stock wird musiziert. Weiter nach oben bin ich nicht gegangen. Der Blick in das Kirchenschiff war nicht möglich, denn es wurde gerade eine große Orgel aus Deutschland eingebaut. Wir sprachen ein junges Ehepaar, welches eigens aus Deutschland zum Bemalen der Orgel beordert worden war.
Ein erhabener Anblick ist das schlichte Grabmal unseres Philosophen Immanuel Kant, dessen 200. Todestag wir im Februar 2004 begehen konnten. Immanuel Kant lebte von 1724 bis 1804. Schon zu Lebzeiten war er der bekannteste Denker Europas. Er war ein Pedant und haßte nichts mehr als Unpünktlichkeit und Unregelmäßigkeit. Sein Tag begann um 5.00 Uhr und endete um 22.00 Uhr. Eine Anekdote besagt, dass er seine Spaziergänge mit einer präzisen Pünktlichkeit vollzog, so dass die Königsberger ihre Uhr danach stellen konnten. Seine Lehre vom kathegorischen Imperativ bedeutete nichts anderes, als den Ausdruck der Überzeugung vom moralischen Sinn dieser Welt. Sein Bekenntnis steht auf der Gedenktafel an einer Mauer, auf deren Höhe man das Schloß vermutet.
Firmament
Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und
zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je
öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt:
Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir
Kant war genau in allem, sogar in der Bestimmung seiner Todeszeit. Er versprach mit 80 zu sterben und er hat sein Wort nicht gebrochen, er starb 1804.
Unser Weg führt uns nun zum Platz des ehemaligen Schlosses, auf dem jetzt das von den jetzigen Königsbergern genannte „Monstrum steht. Die Kellergewölbe des großen Areals sind alle freigelegt worden, vielleicht in der Hoffnung das verschollene Bernsteinzimmer zu finden. Es sind aber geschichtliche Funde sichergestellt.
Nun sehen wir schon den Schlossteich, früher sehr geliebt. Leise Erinnerungen kommen und ich denke an das heimliche „Ruderbootfahren“ während der großen Schulpause.
Etwas erhöht liegt die 1912 erbaute Stadthalle. Sie birgt das Museum für Geschichte und Kunst. Fredi Müller hat dort eine Nachbildung des Balgaer Burgmodells aufstellen lassen. Das Original hat mein Mann 1966 für die Heimatstube der Heiligenbeiler Kreisgemeinschaft gearbeitet, es steht in der Heimatstube in Burgdorf.
Unsere Stadtrundfahrt neigt sich langsam dem Ende zu, aber wir wollen zur Universität, die im August 1544 gegründet wurde. Am 31.08.1844 wurde der Grundstein zur Neuen Universität, der „Albertina“ gelegt. Sie war im Krieg zerstört und ist neu errichtet, es ist jetzt die Immanuel- Kant-Universität. Auf dem Paradeplatz findet man auch den Eingang zum Laasch-Bunker. Man hat hier ein kleines Museum eingerichtet, im Andenken an General Laasch, der im April 1945 die Übergabeverhandlungen mit dem Feind geleitet hat, um die Bevölkerung vor Schlimmerem zu bewahren, was dann leider nicht geschah.
Interessant ist das Bernsteinmuseum im Dohna-Turm, links davon sieht man den Wrangelturm und den Oberteich .Auch eine große Schnapsfabrik in der Nähe, stellt den beliebten „Königsberger Wodka" her. Zu erwähnen wären noch die Königsberger Stadttore, als da sind: Königstor, Friedländer Tor, Sackheimer-, Steindammer- und Brandenburger Tor. Durch dieses Tor fahren wir in Richtung Heiligenbeil. Es ist die alte Reichsstraße 1, welche vor einigen Jahren gut ausgebaut wurde.
Unser Bus fährt jetzt am Großen Markt vorbei, in Richtung Hansaplatz, jetzt Platz des Sieges. Die Mitte ziert ein riesiger Obelisk, umrandet von Springbrunnen, die am 01. Mai in Tätigkeit gesetzt wurden. Überstrahlt wird alles von der riesigen, neuen orthodoxen Kathedrale. Leider durften wir nicht hinein. Diese und sehr viel neue Bauten verändern und prägen das neue Stadtbild Königsbergs und man muß schweren Herzens gestehen, dass es eine russische Stadt, Kaliningrad, geworden ist. In der gesamten Stadt sieht man eine rege Bautätigkeit, neu entstandene Häuserreihen, z.B. die schöne Fischersiedlung, auch große, aber moderne Wohnblocks entstehen. Es gibt Geschäfte mit den besten Designer-Moden. Mir fällt auf, dass die Stadt „sauber“ geworden ist im Vergleich zu den früheren Jahren. Der Straßenverkehr ist unbeschreiblich. Es fahren im Gegensatz zu früher fast nur große Wagen, wie Mercedes, BMW u. a, auch Gebrauchtwagen, aber sehr viel teure neue Karossen. Der Straßenverkehr ist so dicht, dass sich ständig lange Staus bilden und man mit Angst die Straße überquert. Bei dieser Verkehrsdichte könnte man meinen, jeder Einwohner Königsbergs – zur Zeit etwa ½ Million – hätte ein Auto, aber wie ich gehört habe, besitzen viele Familien sogar bis zu drei PKWs. Die medizinische Versorgung ist kostenlos, Operationen bezahlt der Staat. Wer finanziell in der Lage ist, lässt sich privat behandeln. Für eine private Beratung zahlt man etwa 300 Rubel. Der Rubel steht etwa 1 zu 34. Die Mieten sind hoch, Bauplätze sehr gefragt und teuer. Für eine 50 qm große Eigentums-Wohnung zahlt man 60 –70. 000 Euro.
Vielleicht wäre noch zu bemerken, dass es 40 Jahre gedauert hat, bis die Religion wieder zugelassen wurde. 1985 wurde in der ersten orthodoxen Kirche Juditten der erste Gottesdienst abgehalten. Diese Kirche habe ich seit 1991 mehrere Male besucht. Über allen Orthodoxen wacht der Patron Alexi II in Moskau.
Wir fahren nun zurück zu unserem Hotel, es ist früher Nachmittag und unsere Reiseteilnehmer können ihr eigenes Programm gestalten. Unsere liebe Tanja hat bei Bedarf immer zuverlässige, deutsch sprechende Taxifahrer anzubieten, denn man kann in Königsberg noch einige lohnende Ziele ansteuern, die man mit der Stadtrundfahrt nicht schafft. Ich glaube sagen zu können, dass wir mit diesem Vormittag zufrieden waren. Die Stadt hat sich in den letzten zwei Jahren unglaublich zu ihrem Vorteil verändert.
Beim Abendessen kann ich unseren lieben Balgaer B. Sauer-Diete herzlich begrüßen. Eine wichtige Familienfeier ließ ihn erst am 29.04 abends mit der Eisenbahn aus Berlin kommen und er ist nun zu unserer Gruppe gestoßen.
Dienstag, 01.05 2007
Das Wetter schlägt Kapriolen, ich traue meinen Augen nicht, es schneit leicht und fusselt und es ist kühl. Wir lassen uns davon nicht beeindrucken, hoffen auf besseres Wetter und haben es später auch. Gut gefrühstückt und in Erwartung neuer Eindrücke besteigen wir wieder unseren Bus mit dem ruhigen Fahrer Paul. Zusammen mit Tanja schmettern wir im Bus ein lautes Dobre utra und es geht nach Balga am Frischen Haff, dem letzten schwer umkämpften Dorf im Heiligenbeiler Kessel Ende März 1945.
Durch das Brandenburger Tor haben wir bald die Stadt verlassen und befinden uns auf der Reichsstraße 1. Ausgangs der Stadt sehen wir 2 Gewässer. Es sind die blauen Seen und für die Russen ein schönes Ausflugs- und Badeziel. Zu meiner Zeit waren diese Seen nicht da. In der Ferne sieht man schon das Frische Haff.
Der erste Ort an der Reichsstraße ist Brandenburg am Frisching, 1266 vom Deutschen Orden gegründet. Er ist auch fast zerstört. Wir sehen Reste der Burg und die Reste des Kirchturmes. Die wenigen Einwohner leben wahrscheinlich vom Fischfang oder sie arbeiten in Königsberg. Weiter fahren wir nach Ludwigsort, einer größeren Ansiedlung in der Nähe der Brandenburger Heide (großes Waldgebiet), die auch noch Vorkriegsbauten aufzuweisen hat. Wir haben Glück, denn es ist Feiertag und der Straßenverkehr gemäßigt. Auf dem Hof der Molkerei steht eine 1000-jährige Eiche und zur Dorfmitte hat man, wie überall, ein riesiges Ehrenmal für die gefallenen russischen Soldaten errichtet. Weiter geht unsere Fahrt bis zu dem früher bekannten Kirchdorf Bladiau, wo wir auch nur ein Stückchen Kirchenruine sehen. So sehen im Umkreis alle Dörfer aus, oder sie sind, wie die vielen großen Güter, verschwunden.
Nun haben wir die erste Straße nach Balga erreicht - eine Abzweigung von der Reichsstraße die uns bis Groß Hoppenbruch, unserer früheren Bahnstation bringt.
Der Schrangenberg, früher ein großes landwirtschaftliches Anwesen, liegt öde und verlassen auf der Höhe. Die hohen Bäume des Hohlweges sind schon grün und wölben sich wie ein Dom über unseren Köpfen. Wir überqueren die Bahngleise und haben 5 km Straße vor uns, die sich in einem entsetzlichen Zustand befindet.
Der Weg nach Balga stimmt mich immer traurig, denn von unserer wunderschönen Birkenallee sieht man nur noch vereinzelnd einige zerstörte Baumstümpfe, alles andere ist Wildwuchs.
Wir sind im Dorf, ich will ein paar Worte sagen, aber ich kann nicht, denn es ist mein Heimatdorf. So ergeht es mir immer, besonders seit mein Mann nicht mehr dabei sein kann. Rechts das Fragment, in dem Nina wohnt, war mein Elternhaus. Es war ein Doppelhaus der Gebrüder Höpfner, mit jeweils 2.500 qm Land. Meine Eltern hatten über 70 Obstbäume angepflanzt, wovon ich vielleicht zwei davon wieder erkennen kann. Auf dem Hof stand ein langes, in Rotstein gebautes Stallgebäude mit 2 Waschküchen. Jede Haushälfte hatte eine Pumpe, was zu damaliger Zeit nicht selbstverständlich war. Nun sieht alles verkommen aus und mein Mann wünschte, als wir 1995 wieder zu Hause waren, dass nichts mehr gestanden hätte. Ich habe einen Kompromiß geschlossen und besuche Nina solange ich reisen kann. Sie freut sich, ist gastfreundlich und ich nehme immer ein Stückchen Heimat mit nach Kiel, zu meinem jetzigen Zuhause.
Links, das noch einigermaßen erhaltene Gebäude, gehörte der Familie Gerlach. Ich weiß nicht, welchen Zwecken es jetzt dient. Diese beiden Hausruinen sind die Reste unseres schönen Dorfes. Zu meinem Erstaunen leuchtet uns ein neuer Guten-Tag-Stein entgegen. Ein ähnlicher stand im Dorf und begrüßte jeden Gast.
In dem Kirchdorf Balga lebten etwa 750 Menschen in 103 Häusern. Das Dorf wurde bei den schweren Kämpfen bis auf wenige Häuser zerstört und dieselben fielen nach Kriegsende dem Mutwillen junger Vandalen und Schatzsucher zum Opfer.
Eine Attraktion ist geblieben, unsere nun immer weiter zerstörte Ordens-Burgruine. Die Ordensburg Balga wurde 1239 vom Deutschen Ritterorden gegründet und war die älteste Steinburg Ostpreußens. Sie hatte eine hervorragende Bedeutung als Komturssitz, Konventhaus und Verwaltungsmittelpunkt. Balga war von 1525 bis 1550 Wohnsitz des samlänschen evangelischen Bischofs Georg von Polenz. Später begann der Verfall der Burg, insbesondere als die Steine hauptsächlich für den Bau der Festung Pillau verwendet wurden. Es blieben nur ein Wachtturm und Mauerreste erhalten. Der Turm wurde 1929 in seiner ursprünglichen Form wieder hergestellt und barg ein Heimatmuseum. Die idyllisch gelegene Burgruine und der auf dem hohen Haffufer wunderbar gelegene Flecken Balga gehörten seit Jahrzehnten zu den besuchtesten Orten des Kreises Heiligenbeil.
Es sind russischerseits Bestrebungen im Gange, Balga wieder touristisch zu erschließen. Der bei den Kampfhandlungen zum Teil zerstörte Turm ist im Laufe der Jahre immer mehr zerstört und abgetragen worden, so dass jetzt nur noch ein kümmerlicher Rest verblieben ist. Es war gut zu sehen, dass man den Burghof gesäubert hat, denn ansonsten lag Müll und Unrat in großen Mengen herum. Vom Burggelände führt eine, vom Förderverein erstellte, nun auch zum Teil zerstörte Treppe, auch ohne Geländer, herunter zum Haffstrand. Diese kann wegen der Gefährlichkeit nur von jungen Menschen begangen werden. Der frühere Cauersteig führte in Serpentinen zum Haff und wurde regelmäßig benutzt, wenn man eine Dorfrunde machte. Zu der nun fast zerstörten alten Ordenskirche ist nicht mehr viel zu sagen. Die Steine werden nach und nach abgetragen und verbraucht. 1991 konnte man durch das Kirchenschiff gehen, die Mauern standen zum Teil, der Fußboden war in Ordnung und das Westportal mit den alten Ornamenten stand unbeschädigt. Die Zerstörung dieser Kulturgüter ist ein Verbrechen.
Inzwischen sind wir die Dorfstraße zurück zum Hohlweg gegangen und machen eine Teepause bei Nina auf dem Feriengelände. Es waren die früheren Haffberge, von denen man einen herrlichen Blick bis hin nach Pillau und zur Nehrung hatte. Diese hat man eingezäunt und sie sind zu einem Feriengelände eingerichtet worden. Wir waren dort schon oft zu Gast. Nun gehen wir den zum Teil zerklüfteten Hohlweg runter zu unserem geliebten Haff. Es gehört uns in Gedanken immer noch. Blut und Tränen hat es gesehen, aber es rauscht und rauscht mit sanften Wellen, als will es uns sagen: „Kommt, ich bin immer da, hier sind Eure Wurzeln, hier Eure Erinnerungen.“ Der Strand ist im Laufe der Jahrzehnte etwas schmaler geworden, aber hier fühlen wir uns zu Hause und niemand kann es uns fortnehmen. Wie sehr haben wir Kinder das Haff geliebt! Gefahrlos konnten wir baden und uns von morgens bis abends vergnügen. Dicke Brombeeren
stillten oft unseren Hunger und eine von der Steilküste rieselnde, eiskalte Quelle löschte unseren Durst, die Hände waren unser Tr
Daheim am Dünenstrand,
wo die Brandung braust,
spielt ich als Kind
mit dem glänzenden Sand,
aus der braunen Faust
trug ihn der Wind.
Agnes Miegel
Ich komme zurück aus der Vergangenheit und beim langsamen Aufsteigen zum Dorf noch einmal ein Blick zurück zum Haff. Die Realität hat mich wieder eingeholt und wir denken an das für uns in Heiligenbeil vorbereitete Mittagessen im Hotel „Zur Brücke“, welches Tanja aus Zeitgründen schon 2 x umbestellt hat.
Wieder müssen wir die mit Schlaglöchern übersäte Straße zurück, aber danach geht es schneller und wir sind in einer guten halben Stunde in Heiligenbeil, fahren gleich zum Hotel, denn alle haben Hunger. Es gibt Fisch und die Nicht-Fischesser erhalten eine Eierspeise von glücklichen Hühnern! Ich denke dabei ganz besonders an einen liebenswerten Teilnehmer unserer Gruppe. Das Mittagessen schmeckt, es scheint, dass alle zufrieden sind und wir runden die Mahlzeit mit einem doppelten Wodka ab.
Heiligenbeil war unsere Kreisstadt, 3 km vom Haff entfernt. Sie wurde 1819 Kreissitz und 1826 an die Berliner Chaussee angeschlossen (später Reichsstraße 1). Der frühe Anschluß an die Eisenbahn (Königsberg – Elbing – Berlin 1853) förderte den wirtschaftlichen Aufstieg von Landwirtschaft, Maschinenfabrik Wermke, Garnison, Flugplatz, Industriewerk.
Realschule und vieles mehr. Im März 1945 wurde fast die ganze Innenstadt durch russ. Bomber zerstört; in jener Zeit war sie Fluchtort für Vertriebene und Flüchtlinge und Brückenkopf deutscher Truppen (Heiligenbeiler Kessel). 1939 zählte die Stadt 12.100 Einwohner, im Jahr 2001 waren Hunderte von Vertriebenen zur 750-Jahrfeier angereist Es war ein großes Fest.
Die Stadt ist auch sauberer geworden, man hat einen Pranger aufgestellt und bestraft damit Umweltsünder. Wir schlendern über den Feyerabendplatz, hier sieht man noch einige Vorkriegsbauten, die Mittelschule, Post und das Amtsgericht und auch hier wird kräftig gebaut, man erkennt überall einen Aufschwung, den man die Jahrzehnte vorher nicht sah. Von dem Elternhaus meines Mannes, welches an der Stadtmauer stand, erkennt man noch einige Findlinge, aber sonst nichts. Die Siedlungen am Stadtrand haben den Krieg überdauert.
2002 wurde, unweit des Hotels „Zur Brücke“ der Soldatenfriedhof von der Kriegsgräberfürsorge eingeweiht und ist für uns immer ein Ort der Stille. Tausende Menschen haben in Heiligenbeil ihr Leben gelassen. Drei Familienangehörige liegen hier unregistriert, irgendwo!
Der Zeitplan läuft, wir sind voller Eindrücke, aber wir bitten Tanja mit uns nach Lokehnen zu fahren, einem früheren Gut, von dem nur das Herrenhaus geblieben ist. Bei der 750-Jahrfeier war Fürst Buchhammer der Besitzer (ich bin noch im Besitz seiner Visitenkarte), aber es fehlten ihm wohl die nötigen Mittel und er hat das Anwesen an einen vermögenden Russen in Moskau verkauft.
Das Haus, wir wagten gar nicht so nahe heran, ist fast fertig. Allein die Farben des Daches zogen unseren Blick an und Bauhandwerker waren dabei eine lange Allee anzulegen. Die Bäume mit einer kugelähnlichen Krone waren aus Deutschland importiert. Wir haben uns nicht lange an dem Anblick erfreuen können, dann wurden wir, weil es Privatbesitz sei, von dem Gelände verwiesen, obwohl kein Hinweis auf Privatbesitz zu sehen war.
Nun wollten wir zurück zu unserem Hotel, der Tag mit seinen Eindrücken hat uns müde gemacht, aber ich stelle fest, dass im Bus eine gute Stimmung herrscht, die Kommunikation untereinander ist sehr gut und die immer freundliche und gut informierte Tanja sorgt dafür, dass keine Langeweile aufkommt. Sie kennt die deutschen Namen jeder Ortschaft und nur für uns nennt sie Kaliningrad immer noch Königsberg.
Das Abendessen nehmen wir wieder um 19.00 Uhr ein und jeder geht danach seinen Neigungen nach. Der morgige Tag gehört jedem alleine. Man kann in das Heimatdorf fahren oder die Stadt intensiver durchfahren, oder Bernstein kaufen usw.
Mittwoch, 02.05.07
Das Wetter ist gut, von oben trocken und kühl. Wir haben uns daran gewöhnt und ziehen uns dementsprechend an. Das reichhaltige Frühstücksbüffet verleitet zu größeren Portionen, aber es schmeckt uns und wir brauchen Kondition.
Meine Cousine, Frau Esser, war in Tapiau und Schiewenau beheimatet, sie will mit ihrem Neffen Guidio zu dem elterlichen Grundstück, dem Geburtsort seiner Mutter und Ich fahre mit. Wir haben Tanja als Dolmetscherin, denn die Verständigung mit dem Fahrer ist etwas schwierig.
Bald sind wir aus der Stadt, denn auch heute am 02. Mai ist noch Feiertag und der Verkehr ruhiger. Am Stadtrand haben sich Autohäuser und Baumärkte aufgereiht. Der gewaltige Aufschwung ist überall zu erkennen.
Wir biegen von der Hauptstraße und sind in Schiewenau. Für mich ein ungewohntes Bild, denn hier stehen Häuser, Vorkriegsbauten zum Teil renoviert und russ. Häuser. Meine Cousine findet ihr Haus nicht mehr, aber auf ihrem Grundstück steht ein kleines Häuschen. Der Garten ist liebevoll angelegt und die Besitzer, ein älteres Ehepaar, heißen uns herzlich willkommen. Alles ist sauber und ordentlich, wir trinken Tee und dürfen uns alles ansehen. Wir schreiten den großen Hof ab, auch der Teich ist noch da, sogar ein alter verkrüppelter Apfelbaum ist noch zu erkennen. An die eigenen Felder kommt man nicht heran, die Wegverhältnisse lassen es nicht zu. Es geht weiter zu dem Kirchdorf Kremitten. Hier stehen noch einige verfallene Häuser, aber der Friedhof ist eine Wüstenei mit einem Stückchen Kirchenruine. Ich sehe etwas liegen und denke es ist ein totes Schaf, aber plötzlich kommt der Besitzer, setzt das dürre Tier auf seine vier Beine und das Schaf steht und fängt an zu fressen.
Wir wollen noch nach Tapiau denn das Grundstück wurde verpachtet und die Familie zog dorthin. Tapiau, an der Deime und die Wiege von Lovis Corinth, ist eine relativ gut erhaltene Stadt. E. erkennt frühere Geschäfte, die Schule und viele Bauten. Auch ihr Wohnhaus steht unbeschädigt. Sie ist emotionell etwas erschöpft und wir beschließen, wieder zurück nach Königsberg zu fahren. Den nächsten freien Tag wollen die Beiden noch einmal alleine zu ihren Wurzeln und Zwiesprache halten. Ich kenne die Gegend nur als Kleinkind und habe leider wenig Erinnerungen.
Für mich ist der Tag noch nicht zu Ende, wir Balgaer können uns nicht trennen und fahren um 16.00 Uhr noch einmal dorthin. Als wir Nina begrüßen, stehen 3 Autos auf dem Hof. Wir gehen noch einmal langsam die Dorfstraße entlang zur Burg. Mit Schrecken muß ich feststellen, dass ich mich nicht mehr genau orientieren kann. Anhand einer Treppenstufe und einiger Bäume konnte ich zumindest an der Straße früher mit Sicherheit sagen, wessen Haus da gestanden hat. Jetzt erkenne ich vielleicht noch 5 oder 6 Ruinengrundstücke. Wir stehen vor der Burg, hängen unseren Gedanken nach und gehen langsam still zurück. Der Hof bei Nina ist leer, sie hat alle Autos weggescheucht, wir sagen „Aufwiedersehen“, aber sie hält uns fest, wir müssen in ihre Küche, der Tee dampft schon in den Tassen, sie hat die wohlschmeckenden Plinis gebacken. Das sind kleine zarte Mehlpfannkuchen. Boris, unser Fahrer wartet schon, denn wir wollen rechtzeitig zum Abendessen im Hotel sein. Jeder hatte an diesem Tag seine Erlebnisse und das Erzählen nahm kein Ende.
Donnerstag, 03.05.07
Heute wird es ein anstrengender Tag, wir machen die große Samlandfahrt.
Pünktlich um 9.00 Uhr starten wir in Richtung Pillau und berühren Großheidekrug, Zimmerbude und Fischhausen. Die schweren Kämpfe im Samland haben überall ihre Spuren hinterlassen. Hier wird auch Erdöl gefördert. Genaue Angaben über das Vorkommen wertvoller Rohstoffe folgen am Schluß meines Berichtes.
Pillau, einst Marinestadt ist jetzt Stützpunkt der Baltischen Flotte und immer noch Sperrgebiet. In der Stadt leben 31.300 Einwohner. Man kann nur mit einer Sondergenehmigung und spezieller Führung in die Stadt. Die Reiseleiterin empfängt uns an der Schranke. Im Hinblick auf den Tag des Sieges (09. Mai), fanden große Militärparaden statt und verhinderten den Weg zum Hafen und Seekanal. Der Leuchtturm von Schinkel hat allem widerstanden. In Pillau stehen, trotz der schweren Samlandkämpfe, verhältnismäßig viele alte Bauten. So konnte meine Schulfreundin E. Christoph mit ihren beiden Söhnen auch ihr Elternhaus besuchen. Es steht die ehemalige Garnisonkirche und das früher bekannte Hotel „Goldener Anker“ hat seine Pforten wieder geöffnet. An der Zitadelle wurden wir von einem 4-Personen-Chor mit deutschen und russischen Liedern empfangen. Das Standbild „Peter der Große“ beherrscht die Hafenanlagen und die Molenspitzen bilden den westlichsten Punkt Russlands, genau wie die Landspitze bei Brüsterort. Ganz in der Nähe des Ostseestrandes hat die Kriegsgräberfürsorge einen großen weiträumigen Kriegsgräberfriedhof, für die unzähligen Menschen die dort den Tod fanden, angelegt. Diese Weite und Stille ist ergreifend. Es waren auch Tote der „Gustloff“ dabei, die der Sturm angespült hatte. Wie viel ungeklärte Schicksale, wie viel Blut und Tränen birgt dieser Boden. Man wird ganz still und denkt an die Toten der eigenen Familie.
Unser Zeitplan muß eingehalten werden und so verlassen wir Pillau und fahren nach Palmnicken zu einer kleinen Bernsteinschleiferei. Das Bernsteinwerk selbst ist wie eine Festung mit Stacheldraht verbarikadiert und es ist mir unerklärlich, denn 2003 konnten wir zur Schürfstelle hinunter sehen, wo die Blaue Erde gewonnen wurde. Die Waschanlage durften wir allerdings damals auch nicht betreten. Diese kleine, jetzt relativ gut eingerichtete Schleiferei, befand sich vor 4 Jahren in einem Schuppen mit den primitivsten Einrichtungen, aber wir konnten den Bernstein sehr preiswert erwerben. Ein kleiner Blick zum Strand und wir fahren weiter nach dem Ostseebad Rauschen. Tanja lässt keine Langeweile aufkommen, sie erzählt uns ostpreußische. Späßchen in unserem Dialekt.
Rauschen ist durch die Schönheit seiner Lage, zu einem großen Kurort angewachsen, was die begüterten Russen schnell erkannt und mit tollen Villen bebaut haben. Die Grundstückspreise sind unbezahlbar. Unsere Gruppe will zum Strand und wir, die etwas Gehbehinderten, lassen uns mit dem Taxi bis zum Strand fahren. Hier gibt es Bernstein in Mengen, auch kann man hier am Strand in vielen Gaststätten den Hunger stillen. Was uns bewogen hat in das 5-Sterne-Palast-Hotel zu gehen, weiß ich auch nicht. Mit Sicherheit waren wir hier fehl am Platze, in diesem Prunk, wo fünf Bedienstete aufgereiht standen um uns zu bedienen. Es gab etwas Verständigungsschwierigkeiten, niemand von der Bedienung beherrschte die englische Sprache. In diesem Haus hat bereits unser Ex-Bundeskanzler Schröder getafelt, sein Foto hing an der Wand.
Der Zeitplan holte uns wieder ein und wir fuhren Richtung Königsberg in unser Hotel. Alle waren wir etwas müde von dem langen Tag, aber nach dem Abendessen war alles wieder in Ordnung, man konnte noch kleine Dinge unternehmen. So haben wir auch diesen Tag gut zu Ende gebracht und morgen steht der Tag jedem zur freien Verfügung. Ich glaube nicht, dass jemand Langeweile hat. Gegen Abend wurde es recht kühl, so dass wir gerne in einem nahe gelegenen Kaffee etwas Heißes zu uns nahmen.
Freitag, 04.05.2007
Für mich bedeutet der Ruhetag eine Fahrt zu Frau Preuß, die 1945 in Königsberg blieb und ein schweres Schicksal auf sich genommen hat. Wenn es möglich ist, wird sie von unserer Stiftung ein wenig unterstützt, sie ist 86 Jahre alt und seit 2 Jahren bettlägerig. Auch einen anderen Hilfsbrief konnte ich dank Tanjas Vermittlung übergeben.
Auch Bernsteinkauf in den Geschäften des Kombinats war angesagt. Aber Sigrid, Bernd und ich, wir wollten noch einmal nach Balga. Die Fahrt durch die Stadt war wegen der vielen Staus sehr zeitraubend, denn die Feiertage waren vorbei und die aus Schlaglöchern bestehende Straße nach Balga kostet auch viel Zeit. Wir gingen den Hohlweg hinunter zum Haff. Kein Mensch weit und breit, nur wir drei - eine große Stille umgab uns, die kleinen Wellen rauschten leise. Wir waren zu Hause!
Langsam schlenderten wir, alles in uns aufnehmend, bis zum Schloß. Mit gegenseitiger Hilfe krabbelten wir auf den Steinen weiter, bis zur äußersten Ecke und ruhten uns auf ihnen aus Die Sonne wärmte uns, wir sprachen kaum, jeder hing seinen Gedanken nach, es war überwältigend, wir hatten alles für uns allein, das große geliebte Haff.
Es wurde Zeit, wir mußten wieder einmal Abschied nehmen. Bernd blieb allein mit sich und seinen Gedanken, aber uns brachte Boris wieder nach Königsberg. Gegen Abend holte er auch Bernd.
Wie gesagt, wir wollten im Fachgeschäft Bernstein kaufen und plötzlich wie abgesprochen bevölkerten sechs Personen unserer Gruppe den Bernsteinladen. Es wurde ein gutes Geschäft. Nach dem Abendessen gingen wir zur evangelischen „Auferstehungskirche“ die leider schon geschlossen war. Es wurde empfindlich kühl, wir fanden schnell ein Taxi (Preis bei kurzen Stadtfahrten fast immer 100 Rubel) und haben den Abend in kleinem Kreise beschlossen. Es war wieder ein erfüllter Tag.
Samstag, 05.05.2007
Ein herrlicher Tag, die Sonne scheint und wir fahren heute in den Osten unserer Heimat. Unsere Gruppe, wie immer gutgelaunt, ist wieder voller Erwartungen und ich bin dankbar, dass wir junge, sehr interessierte Menschen bei uns haben. Die jungen Herren mischen unsere Gruppe richtig auf. „Dobre utra“ klappt immer besser und los geht es zu unserer letzten großen Tagesfahrt, denn morgen ist leider schon wieder der Abreisetag.
Unser Weg führt uns wieder durch die Stadt auf die Reichsstraße 1 Richtung Insterburg. Am Stadtrand Neubauten und rege Bautätigkeit. Hier haben sich Autohäuser angesiedelt, wir sehen u.a. das BMW-Montagewerk, große Baumärkte sind entstanden. In diesem Jahr soll auch das neue Heizwerk fertig werden, welches hier, am Rand von Kaliningrad im Bau ist. Die alte Kirche Arnau ist immer noch nicht fertig. Ein Kuratorium kümmert sich um die Fertigstellung. Wir fahren an Tapiau und Wehlau vorbei. Endlich säumen mehrere Storchennester unsere Straße und die Fotoapparate klicken. Wir sehen stehende Störche, aber auch brütende, man erkennt nur das helle Köpfchen. Störche gehörten früher zu unserer Kindheit, es war für uns eine Selbstverständlichkeit und heute schauen wir sehnsuchtsvoll nach jedem Nest.
Etwa um 11.00 Uhr erreichen wir Insterburg. Es ist jetzt die drittgrößte Stadt der russ. Exklave und hat eine Einwohnerzahl von 43.300. Zahlreiche moderne Bauten der dreißiger Jahre sind erhalten geblieben. In der Stadt war früher eine Garnison, davon zeugen die roten Kasernen gegenüber der großen orthodoxen Kirche. Bei der Besichtigung erlebten wir die Taufe mehrerer Kinder. Wie einst steht Insterburg in leuchtendem Rot und wurde mancherorts auch die „Rote Stadt“ genannt. Hier ruht die 1689 verstorbene Anna Beilstein, die bis heute noch als Ännchen von Tharau besungen wird.
Wir haben Insterburg verlassen und sind nach kurzer Fahrt auf dem Gestüt Georgenburg, welches früher die Nebenstelle des weltbekannten Gestüts Trakehnen war und abseits vom eigentlichen Ort liegt. Die Burg wurde im 14. Jahrhundert erbaut.
Schon 2004 war man als Besucher erstaunt über die Größe und Sauberkeit dieser Anlage. Allein der von Deutschen hergerichtete Turnierplatz, soll 5.000.000 Euro gekostet haben. Neu hinzugekommen sind elegante überdachte Tribühnen für die Besucher der Turniere. Eine junge Dame führt uns durch die Stallungen und wir erfahren, dass hier Trakehner, Hannoveraner und Holsteiner gezüchtet werden. Die Popularität dieser Rassen wird von Pferdesportlern in Europa und Russland hoch geschätzt. Wir sehen herrliche Pferde. Etwa 200 – 250 Pferde befinden sich auf dem Gestüt. Die langen Stallungen sind noch Vorkriegsgebäude, aber modern und fachgerecht renoviert.
Zu dieser Anlage gehört auch ein Hotel–Restaurant–Komplex. Das Hotel verfügt über 18 Zimmer der Business-Klasse, ausgestattet mit TV, Telefon und Minibar. Das Restaurant, in dem wir ein vorzügliches Mittagessen eingenommen haben, ist für mehr als 50 Personen eingerichtet, mit erlesenen Speisen europäischer und russischer Küche. Für die Treffen geschäftlicher Art ist in der Hotelhalle ein gemütlicher Saal eingerichtet.
Nun geht es für uns weiter nach Tilsit, eine geschichtlich bedeutende Stadt an der Memel, bekannt durch die Begegnung des russ. Zaren Alexander I mit Napoleon 1807. Sie ist die zweitgrößte Stadt im Oblast Kaliningrad und hat 43.600 Einwohner.
Die Luisenbrücke bildet die Grenze zu Litauen. Durch die Ausweitung der Grenzsperrzonen, dem Propusk, konnten wir nicht mehr näher zur Brücke gehen. Die schönen Jugendstilhäuser in der Hohen Straße sind dem Verfall weiter preisgegeben. Während in Königsberg rege Bautätigkeit herrscht, geht hier und in den ländlichen Bezirken der Verfall weiter.
Freudig begrüßten wir den nach Tilsit zurückgekehrten Elch. Die lebensgroße Bronzenachbildung des Tieres wurde am 29. Juni 1928 eingeweiht. Von einem hohen Podest blickte der Elch einst zum Grenzlandtheater und zum Memelstrom und prägte so das Stadtbild. Nach Kriegsende musste er seinen Platz für einen russischen Panzer T 34 räumen und später brachte man ihn, schon ohne Geweih, als Torso in den Königsberger Tiergarten. Hier fristete er nun sein Dasein, aber ab den neunziger Jahren waren Bestrebungen im Gange den Elch wieder nach Tilsit zu bringen. Großen Anteil an dem Gelingen hat der in Kiel wohnende Stadtvertreter Herr Mertineit. Seit dem 24. August 2006 steht der restaurierte Elch zwar nicht wieder an seinem alten Platz, denn die Stadt Tilsit entschied den Wiederaufbau der Bronzestatue auf einem gepflasterten Rondell an der Angerpromenade, Ecke Hohes Tor, gegenüber dem früheren Amtsgericht.
Nachdem alle genügend fotografiert hatten, setzten wir zum letzten Abschnitt unserer Tagesreise an. Wir wollen mit möglichst wenig Pausen durch die Landschaft der Niederung zurück nach Königsberg fahren und berühren bekannte Orte wie Heinrichswalde, Kreuzingen, Laukischken und Labiau. Unser Blick schweift über das stille Wasser des Großen Friedrichsgrabens und Tanja erklärt uns alles. Sie kennt unsere Geschichte erstaunlicherweise zumindest so wie wir, oder noch besser. Es hätte ja etwas gefehlt, wenn wir unterwegs nicht die Waldkapelle besucht hätten, für einige Teilnehmer eine neue Erfahrung! Bald haben wir das Stadtgebiet erreicht und es dauert noch eine Weile bis Paul sich durch den dichten Verkehr geschlängelt hat.
Um 19. 00 Uhr nehmen wir wieder gemeinsam mit Tanja unser Abendessen ein, wir denken ans Packen, denn morgen werden wir unsere alte Heimat wieder verlassen, voll gepackt mit Eindrücken und Erlebnissen. Die letzten Rubelchen werden noch umgesetzt, im nahen Supermarkt kaufen wir etwas Obst für unterwegs, auch guten Wodka und es reicht noch für eine Flasche Champagner, die wir sehr spät mit Genuss getrunken haben. Meinen Koffer habe ich nachts gepackt. Auch unsere jungen Herren haben sich für den Abschiedsabend noch etwas Besonderes ausgedacht!
Für nachstehend aufgeführte Informationen kann ich den Namen Königsberg nicht benutzen und ich bitte um Entschuldigung.
Vielleicht ist es interessant zu lesen, dass sich auf dem Territorium der Kaliningrader Region das weltgrößte Bernsteinvorkommen befindet (mehr als 90 % der gesamten Weltvorräte). Etwa 800 Tonnen werden jährlich gewonnen. Man fördert Erdöl und die Erdölreserven im Gebiet betragen ca. 270 Millionen Tonnen, ferner Steinsalze, Braunkohle, Torf und es gibt Mineralwasserquellen.
Die besondere geopolitische Lage der Region Kaliningrad, die Nähe zum Meer und zu den wirtschaftlich starken europäischen Staaten, die Entwicklung der Infrastruktur und gleichzeitig die weite Entfernung von der Metropole, waren die Voraussetzungen für die Schaffung einer Sonderwirtschaftszone im Jahr 1996. Ihre wichtigsten Vorteile sind Steuervergünstigungen, das Wegfallen von Zöllen und die freie Ausfuhr von erwirtschafteten Gewinnen. Diese besonderen Rahmenbedingungen ziehen Investoren und Geschäftsleute an.
Das Kaliningrader Gebiet, eines der jüngsten und kleinsten in Russland, das 1996 sein 50-jähriges Bestehen feierte, ist heute eine Exklave, grenzt an Polen (im Süden 231,98 km), Litauen (im Nord-Osten, 280,5 km) und hat eine Wassergrenze zu Dänemark und Schweden. Die Entfernung bis Moskau beträgt 1289 km. Doch die Entfernungen zu den anderen europäischen Hauptstädten sind relativ kurz:
350 km bis Vilnus
390 km bis Riga
400 km bis Warschau
600 km bis Berlin
650 km bis Stockholm
Nach der letzten Volkszählung leben heute im Gebiet Kaliningrad 955.300 Einwohner (456.100 Männer und 499.200 Frauen), davon fast die Hälfte im Gebietszentrum Kaliningrad (427.800 Einwohner). Der Anteil der Stadtbevölkerung beträgt ca. 78 %.
Das Gebiet ist in 13 Kreise, 4 administrative Stadtbezirke und 5 gesonderte Stadtministrationen untergliedert.
Die nationale Struktur des Gebietes ist seit langer Zeit stabil. Die dominierende Nationalität sind Russen (78,1 %), weiter folgen Weißrussen (7,7 %), Ukrainer (7,6 %) und Litauer (1,9 %, Russlanddeutsche (0,6%), Polen (0,5 %). Insgesamt wohnen in dem Gebiet Vertreter von mehr als 30 Nationalitäten verschiedener Konfessionen.
Das Gebiet liegt am Westrand der Osteuropäischen Ebene an der Ostsee. Die Länge der Küste beträgt 183,56 km, davon sind 100 km Sandstrände. Die maximale Länge des Gebiets vom Osten nach Westen beträgt 205 km, vom Norden nach Süden 108 km, die gesamte Fläche des Gebiets umfasst etwa 1500 Quadratkilometer. Das Kaliningrader Gebiet verfügt über einzigartige Naturlandschaften, von Meeresdünen bis zu klaren Seen. Die Ostsee und zwei Haffs umspülen das Land. Eine wahre Perle ist der Nationalpark „Kurische Nehrung“. Das milde und gleichmäßige Meeresklima, lange Sandstrände, die Mineralwasserquellen sind ein attraktives Touristenpotential. Im Gebiet Kaliningrad gibt es 4600 Flüsse und Meliorationskanäle sowie etwa 4000 Seen und Teiche. Die zwei größten Flüsse Pregel und Memel sind durch Kanäle in ein einheitliches Wasserwegsystem integriert. 19 % des gesamten Landes ist von Wäldern bedeckt, Misch- und Laubwälder.
Der Kur- und Erholungskomplex an der Ostseeküste hat für Russland eine große Bedeutung. In Rauschen und Cranz befinden sich bekannte Sanatorien und Kurheime in denen Herz- Nervenkrankheiten, Gelenkschwäche und Erkrankungen der Atemwege behandelt werden. Die Luft ist hier besonders heilend wegen der einzigartigen Kombination aus Wald- und Meeresluft. Die malerische, von Schluchten unterbrochene Steilküste ist ein Traumland für jeden, der seine Sinne für Naturschönheiten offen hat.
Seit der Öffnung des Gebietes Kaliningrad für ausländische Touristen 1991, entwickelt sich das Hotelnetz ständig, vorwiegend in Königsberg. In den letzten 2 – 3 Jahren wird auch ökologischer Dorftourismus stark gefördert.
Nachstehend aufgeführte Zahlen habe ich 2001 in Königsberg erfahren:
Etwa 50 Schulen
100 Kindergärten und Krippen
22 Bibliotheken
11 Kinos
7 Stadien
3 Tennisplätze
3 Schwimmhallen
14 7 Kulturpaläste
4 Kultushäuser.
Der Pregel ist 125 km lang und es gibt 79 Brücken.
Mit Sicherheit haben sich die Zahlen in den vergangenen Jahren verändert, zumal sich eine riesengroße Wandlung, ganz besonders in Königsberg vollzogen hat.
Sonntag, 06. 05 2007
Heute ist unser Abreisetag. Das Wetter ist gut und seit drei Tagen auch wärmer. Pünktlich erscheinen wir alle zu dem reichhaltigen Frühstück, wir langen alle tüchtig zu, denn wir haben wieder einen langen Tag vor uns. Die Koffer stehen größtenteils schon in der Halle, bald ist alles Gepäck verladen und um 9.00 Uhr fahren wir, vielleicht auch schweren Herzens ab. Man weiß nicht, ob es noch einmal ein Wiedersehen mit der Heimat gibt.
Tanja, lässt keine Rührung aufkommen, wir schmettern wieder „Dobre utra“ und schon geht es los. Heute ist Sonntag und wir sind bald aus der Stadt, fahren in Richtung Cranz auf die Nehrung. Man ist dabei auch Cranz wieder besser herzurichten. Am Stadtrand sieht man lange Reihen ansprechender moderner Reihenhäuser, aussehend wie eine Trabantenstadt. Unterwegs kann ich jedem, Tanja und auch Paul, dank unserer tollen Gruppe, ein gut gefülltes Tütchen überreichen und bedanke mich bei ihr für ihre kompetente und liebenswerte Reiseleitung.
Zügig fahren wir die Nehrungsstraße, vorbei an der Vogelwarte, Richtung Grenze. Es klappt alles vorzüglich. Während unsere Pässe kontrolliert werden, kaufen wir sehr preisgünstig zollfreie Ware ein. Weiter geht es zur nicht weit entfernt liegenden litauischen Grenze. Auch hier verläuft alles programmmäßig und wir haben Russland hinter uns gelassen, sind nun in Litauen, in der EU und fahren zur hohen Düne. Die Schönheit der Dünen habe ich bereits beschrieben, aber man ist immer wieder gefangen genommen von der Schönheit dieser Landschaft wenn man den höchsten Punkt erreicht hat und man die blaue Ostsee, das grünschimmernde Kurische Haff und den schneeweißen Sand der Dünen sieht. Die Vegetation passt sich diesem sandigen Landstrich an. Nachdem noch einmal tüchtig Bernstein gekauft worden ist, fahren wir in den Ort Nidden und wir schlendern am Ufer des Haffes entlang bis wir den Treppenaufgang zum Thomas-Mann-Haus erreicht haben. Leider ist es geschlossen, aber allein der Anblick des Hauses und der von ihm so schön von oben beschriebene Blick zum Kurischen Haff entschädigt uns. Meine Cousine, Frau Esser ist im Bus geblieben. Sie und Paul erwarten uns auf dem Parkplatz mit heißem Tee, Kaffee und Gebäck. Noch einmal werden die Frauen in Versuchung geführt, denn in Litauen gibt es besonders gut verarbeiteten Bernstein, allerdings etwas teurer.
Nun hält uns nichts mehr, jetzt fahren wir zügig um eine bestimmte Fähre zu erreichen, die uns über das Memeler Tief nach Memel bringt. Es klappt alles und jetzt haben wir die letzten 35 Kilometer vor uns zum Flugplatz Polangen. Tanja verkürzt uns die Zeit mit ein paar Späßchen und schon von Weitem sehen wir den kleinen aber gemütlichen Flugplatz. Schnell sind wir mit dem Gepäck im Warteraum und nun verabschiedet sich unsere liebe Tanja von uns. Sie hat uns bis hierher begleitet und betreut und durch ihre Persönlichkeit unsere Reise bereichert. Wir winken ihr herzlich nach, denn sie benötigt für die Fahrt zurück nach Königsberg noch einmal 3 Stunden.
Inzwischen ist der Abfertigungsschalter geöffnet, die Körper- und Passkontrollen beginnen, alles geht schnell und wir können bis zum Abflug noch eine Weile draußen die Sonne genießen. Auch hier gibt es zollfreie Waren, aber wesentlich teurer als an der russischen Grenze.
Wir besteigen das Flugzeug um 17.45 Uhr, der Flug ist angenehm, die Sonne scheint und durch das Zurückstellen unserer Uhr gewinnen wir eine Stunde. Wir landen in Hamburg um etwa um 18.30 Uhr. Nun läuft alles planmäßig, wir passieren den Zoll, gehen zum Laufband und bald hat jeder seinen Koffer. Wir verabschieden uns alle herzlich voneinander, denn wir sind uns in den 8 Tagen unserer Reise näher gekommen und jeder strebt nun seinem Heimatort zu.
Ich glaube sagen zu können, dass wir alle mit dieser schönen, vielleicht auch etwas anstrengenden Reise, zufrieden sind und dass alle Erwartungen, die man in sie gesetzt hat, zum größten Teil erfüllt wurden. Diese aus allen Teilen der Bundesrepublik zusammengestellte tolle Gruppe war ein Geschenk für mich und die liebenswerte Tanja.
In mir ist eine große Dankbarkeit, dass wir, auch im Hinblick auf das Alter einiger Teilnehmerinnen, diese Reise gesund und unbeschadet überstanden haben.
Es war ein Land – wir liebten dies Land,
doch Grauen sank drüber wie Dünensand.
Verweht wie im Bruch des Elches Spur
Ist die Fährte von Mensch und Kreatur.
Agnes Miegel