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Mittwoch, 24. April 2024

„Der Flecken“ – Das Dorf – Balga

Neben der Burg und dem Vorwerk siedelten sich früh Handwerker, Knechte, Hirten, landwirtschaftliche Arbeiter an, die in der Ordensburg und im Vorwerk beschäftigt waren.
Die Arbeiter waren entweder Instleute (Tagelöhner) oder Gärtner, wie schon früher gesagt worden ist. Für die Bedürfnisse der vor dem Ordenshause Angesiedelten und der zahlreichen Besucher sorgte ein Krug, er wird 1430 erstmalig erwähnt.
Eine Windmühle bestand auch schon 1447, eine Wassermühle lag im 16. Jahrhundert unmittelbar an der Haffküste südlich Balga.

Bereits im 14. Jahrhundert tragen mehrere Personen den Familiennamen Balga, es ist möglich, daß sie von hier stammen. Im Jahre 1339 war Gunther von Balga Ratsherr der Altstadt Königsberg. Johannes von Balga war 1337 Mönch in Oliva. Im Jahre 1349 hieß der ermländische Notar Nakie von Balga, 1339 finden wir in Thorn die Bürger und Brüder Heinrich und Johannes von Balga und 1350 den Kaufmann Bertold von Balga. Claus von der Balga wurde 1361 Bürger der Altstadt Braunsberg.
1399 wurden dem Schmied des Balgaer Komturs acht Skot (= ⅓ Mark) und 1408 Balborn, dem Schmiedemeister zu Balga, drei Mark gezahlt.

Die Bewohner der Burgsiedlung bildeten ein Gemeinwesen, das – im Gegensatz zu den anderen Ordenshäusern – niemals  Lischke (Nest) genannt wird. Wir kennen auch keine Handfeste, die den Bewohnern vor dem Hause Balga verliehen worden ist. Später ist stets vom Flecken Balga die Rede. Da das Ordenshaus in den mannigfachen Kriegen oft belagert und bestürmt worden ist, hat die Burgsiedlung viel zu leiden gehabt, im 13jährigen Kriege (1454 – 1466 ), im Reiterkriege und später während der Schwedenkriege. Im Jahre 1520 wurden die Windmühle wie auch die Häuser vor der Burg zerstört. Die Windmühle ist später wieder aufgebaut worden, zuletzt wohl 1736; sie stand unmittelbar nördlich des Alten Vorwerks, wurde durch einen Sturm zerstört, um 1910 abgebrochen und ihre Ländereien an das Gut Balga verkauft. Der Weg, der von hier nach Kahlholz führt, heißt der Mühlenweg.

Fast alle Bewohner der Burgsiedlung werden in alter Zeit meistens als Gärtner bezeichnet, wahrscheinlich weil sie zu allerlei Diensten beim Vorwerk verpflichtet waren und nur über ein Gartenland verfügten.
Viele waren Schuldner. Der einzige, fast unabhängige Eigentümer war der kölmische (Kölmer, auch Köllmer = Freibauer) Krüger, der besondere Rechte und auch Landbesitz hatte. Da er bis  1826 gleichzeitig Dorfschulze (Gerichtsbarkeit) war, verfügte er über eine gewisse Macht. Im Jahre 1603 gab es beym schloß und Hoffe zwölf Scharwerksgärtner; außer ihren  üblichen Diensten mussten sie auch “mit Briefen laufen“.

Im Jahre 1669 stellte eine Visitationskommission fest, daß die Gärtner in Balga trotz des Reskripts (Anwortschreiben) von 1617, das einem jeden Gärtner je zwei Pferde und Kühe, ein Kalb und vier Schweine zu halten gestattete, wesentlich mehr Vieh besitzen. Schon 1646 war dies bemängelt und den Gärtnern befohlen worden, für das überzählige Vieh eine Steuer zu erlegen. Mit diesen Maßnahmen wollte die Landesherrschaft wohl verhindern, daß die Gärtner zu viel Futter und Weide von den Vorwerksländereien beanspruchten und benutzten.

Im Jahre 1725 fiel am 9. Juli „auf die Balgaischen Felder bei einem fürchterlichen Ungewitter ein ungewöhnlich großer Hagel, worunter es Stücke gab, die im Durchschnitt ein Zoll dick, 1¼ Zoll lang und an beiden Enden platt abgebrochen waren“.

Wie auch in anderen Dörfern wurden auch in Balga um die Mitte des 18. Jahrhunderts zahlreiche Eigenkätnerstellen (Hauseigentümer) geschaffen; sie wurden auf Amts- und Vorwerksländereien, auf „königlichem Grunde“ mit und ohne Land, auch auf Kirchengrund und vor unbebauten Anger- und Gartenplätzen angelegt. Die Eigenkätner erhielten über Ihren meist recht geringen Besitz Erbverschreibungen, diese stammen vornehmlich aus den Jahren 1748, 1751, 1779 und vor allem aus dem Jahre 1781.
Im gesamten Flecken Balga wohnten damals ein kölmischer Krüger, 43 Eigenkätner in 39 Katen, ein Pfarrer, ein Kantor, 3 Instleute beim kölmischen Kruge, 18 Instleute bei den Eigenkätnern, 2 Instleute auf Kirchengrund, 16 Loßweiber, ein Müller und ein Hirt. Unter den Einwohnern finden sich je ein Zimmermann, Maurer, Böttcher, Bäcker, Tischler, Rademacher, Leineweber ohne Konzession und je zwei Schneider und Schuster.

Der zum Flecken gehörige Acker ist sandig und schlecht, die Wiesen aber von mittelmäßiger Bonitaet. Die Weyde ebenfalls und lieget in den Dorfs-Feldern.  Der Flecken Balga hat nicht geringste Waldung, sondern die Einsaaßen kauften sich das benötigte Holtz aus den nächsten Adel-Forsten. Es sind im Flecken vorhanden 51 Pferde, 7 Fohlen, 10 Ochsen, 62 Kühe, 9 Stück Jungvieh und 73 Schweine.
Militärisch gehört der Flecken zum Kanton des Infanterie-Regiments von Steinwehr.

Um das Jahr 1800 setzte ein Zuzug von Seefahrern und Kapitänen ein. Im Jahre 1819 waren die Seefahrer Werner, Jakob Blum, Martin Rentel, der Schiffer Jakob Korn und der Schiffskapitän Daniel Fierke, in Balga ansässig.
„Der aus Rosenberg stammende Gottlieb Mallien und sein 1793 in Rosenberg geborener Sohn,  Kapitän Gottfried Mallien († Balga 1849), ließen sich erst nach 1825 in Balga nieder. Es folgten die Schiffskapitäne Emil und Oskar Gerlach, Johannes Kuhr, der 1910 das Haus gegenüber dem Spritzenhaus erbaute, und Rudolf Unruh. Die Kapitäne Karl Unruh, Adolf Wiechert wurden Lotsen in Pillau, ließen sich aber nach Ihrer Pensionierung in ihrem Heimatdorf nieder. Karl Weinreich, der Bruder von Gertrud Korn, geb. Weinreich (*17.08.1884 Balga – †18.06.1987 Berlin), wurde Kapitän und Lotse in Königsberg. Louis Thimm, Heckmann, Emil Lemke, Kurt Gerlach wurden Lotsen in Pillau. Weitere Balgaer fuhren als Schiffsmaschinisten und –Ingenieure“. Kurt Korn (*27.02.1907 – †15.09.1954), Oberstudienrat, Sohn von Gertrud Korn und Oskar Korn (Oberpostsekretär) hat die meisten Bilder von Balga gemacht.

Obgleich Balga unmittelbar am Haff liegt, war es nie ein Fischerdorf. Nur der Krüger hatte auf Grund seiner Handfeste von 1536 das Recht erworben, mit 15 Säcken und kleinem Gezeug zu seines Tisches Notdurft im Haff zu fischen.  1559 wurde dies Recht erweitert; der Krüger durfte mit 30 Säcken, sechs Netzen und einer Handwate (kleines Zugnetz) im Haff fischen. Erst viel später haben dann Seefahrer in Balga die Berechtigung erworben, im Haff zu fischen. Die Fischerei der Balgaer Fischer war stets unbedeutend. In den letzten Jahrzehnten wurde sie nach Erwin Malliens  Aufzeichnungen von Arthur und Alfred Potreck, Adolf und Franz Kluge, H. Dieck, Gustav Blumberg, Richard Heckmann, Artur und Hermann Tiedmann ausgeübt.  In früheren Jahren brachten die Frauen der Fischer die frisch gefangenen Aale, Zander, Kaulbarsche u. a. in die Häuser der Balgaer Bewohner. Die in den Gaststätten bereiteten Aal-Gerichte, vor allem im Gasthaus Schröder, waren sehr geschätzt.

Von der Mitte des 19. Jahrhunderts ab wuchs die Einwohnerzahl  Balgas erheblich; denn der malerisch gelegene Ort zog auch Fremde an, die hier eine neue Heimat fanden. Im Jahre 1846 zählte man in Dorf und Gut Balga 65 bewohnte Häuser, 1905 waren es 81,  1925 waren es 86  und vor dem 2. Weltkrieg 96 Häuser. Der von Balgaern nach 1945 erstellte Dorfplan zeigt 91 Grundstücke; es sind auf ihm das Guts-, Gärtner-, Inspektor- bzw. Handwerkerhaus, je ein Haus des Neuen und  Alten Vorwerks (früher Mühlenhaus) nicht mitgezählt worden. Während des 2. Weltkrieges entstanden im Fichtenwald etwa zwölf Behelfsheime für Ausgebombte; Eigentümer waren der Landkreis Heiligenbeil und die Landgemeinde Balga.
Über die Balgaer Familien schreibt Erwin Mallien, der mit unermüdlichem Fleiß und großer Liebe zu seinem Heimatort eine Fülle von Angaben  für die Ortsgeschichte Balga zusammengetragen und aufgezeichnet hat:  „In den letzten Jahrzehnten sind viele alte Balgaer Familien ausgestorben; viele Söhne Balgas wanderten auch ab in die Städte. Zu den alteingesessenen Familien gehörten die Adler, Basmer, Blöß, Boehm, Droese, Gerlach. Hasenpusch, Hipler, Höpfner, Kluge, Korn, Kühn, Lemke, Mallien,  Müller,  Rehberg,  Rödder,  Samlowski,  Teschner,  Thiel,  Thimm, Tiedmann,  Tolkmit, Unruh, Wiechert, Wiechmann, Zimmermann.“  Diese Familien lassen sich nicht mit den alteingesessenen Bauernfamilien vergleichen, die in den vom Deutschen Orden gegründeten Dörfern seit Jahrhunderten ansässig und daher bodenständiger waren. Die Entwicklung  Balgas war eine ganz andere als die der Bauerndörfer;  in Balga konnte sich eine bäuerliche Bewölkerung  erst bilden, als die Domäne aufgelöst  war und genügend Ackerland zur Verfügung stand.

Die Zusammensetzung der Bevölkerung Balgas, die Struktur des Dorfes und der seit mehreren Jahren zunehmende Fremdenverkehr bewirkten es, daß die plattdeutsche Mundart in Balga fast ganz ausgestorben war; sie wurde vor dem zweiten Weltkrieg nur noch von wenigen älteren Einwohnern gesprochen, die Jugend sprach nur hochdeutsch.

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