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Sonntag, 03. November 2024

Die letzten Wochen vor Kriegsende 1945

Ein Bericht von Ursula Hornberger

Anfang Januar 1945 war in unserem Dorf völlige Ruhe. Kein Mensch glaubte an ein weiteres Vordringen der Russen nach hier. Es war eine rauhe Kälte, und viel Schnee lag auf den Straßen. Das Haff war völlig zugefroren.
Mitte Januar kamen dann die ersten Flüchtingstrecks von der Grenze. Es war ein fürchterliches Schneetreiben, und einige Flüchtlinge mußten ihre Pferde mit Wagen stehen lassen. Diese Landsleute erzählten schreckliche Dinge, die sie vom Russeneinmarsch gehört hatten. Sie hielten sich nur einige Tage in Balga auf, wurden in der Gemeinschaftsküche bei Pultke verpflegt und zogen in Richtung Danzig weiter. Der erste Flüchtling ein Junge von 14 Jahren, wurde in Balga beerdigt. Es trafen dann bald die ersten Soldaten, und zwar ein Feldlazarett aus Lötzen, in Balga ein. Sie wurden in der Kirche, bei Pultke, Schröder und in der Jugendherberge untergebracht. Die Verpflegungsstelle war in der Schule. Die Ärzte und Sanitäter wurden privat untergebracht. Da für die vielen Verwundeten zu wenig Sanitäter waren und Hilfe dringend gebraucht wurde, stellten sich mehrere Frauen des Dorfes zur Verfügung. Die Jugendherberge war als Operationsstation eingerichtet, hier wurden die schweren Fälle behandelt. Später reichte die Herberge nicht mehr aus, deshalb wurde in der Sakristei der Kirche eine Notstelle für Operationen eingerichtet.
Die Verwundeten, die gehen konnten, mußten zu Fuß über das zugefrorene Haff nach der Nehrung wandern und wurden dort  weitergeleitet. Die Schwerverletzten wurden nach Heiligenbeil-Rosenberg transportiert.
Auf dem Friedhof neben dem Ehrenmal war auf der einen Seite ein Platz für die gestorbenen Soldaten, auf der anderen Seite für die gestorbenen Flüchtlinge vorgesehen worden.

Ende des Monats Januar, als die Front immer näher kam, trafen die ersten Truppen ein. Es waren Teile der 21. Ostpreußischen Infanterie-Division. Jedes Haus und jede Wohnung wurden mit Soldaten belegt. Täglich trafen nun auch Flüchtlinge ein; sie durften sich aber nicht zu lange aufhalten, wurden nach einigen Stunden Ruhe weitergeleitet. Auf Befehl der Partei wurden die älteren Männer, die in Balga waren, zum Bau eines  Panzergrabens in der Nähe von Brandenburg eingezogen. Alle Männer kamen aber schon nach einigen Tagen wieder zurück.
Anfang Februar kam die Kunde, daß unser Dorf geräumt  werden sollte. Es begann ein harter Kampf. Kein Einwohner des Dorfes wollte fort, jeder glaubte, daß es sich noch ändern würde. Balga war noch nicht unter Beschuß. Der Russe kam immer näher, und als er bei Zinten war, wurde das Dorf mit Gewalt geräumt. Frauen mit  Kindern kamen mit Lkw. bis Deutsch Bahnau, von dort über das Haff nach der Nehrung. Die Räumung und der Abtransport der Einwohner zogen sich etliche Wochen hin. Das feindliche Feuer kam immer näher. Anfang März heulten russische Flugzeuge über Balga und warfen Bomben und schossen mit Bordwaffen.

Balga war ein großes Heerlager von unzähligen Fahrzeugen und Soldaten geworden. Dann wurde der Ort von Artillerie unter Beschuß genommen. Als erste bekam die Gutsschmiede einen Treffer, dem der Deputant (Landarbeiter) Schulz zum Opfer fiel. Das Haus von Gärtner Behrend wurde getroffen, der Stall von Dieck vollständig zerstört. Der Artilleriebeschuß setzte nun fast täglich ein, und die Zerstörung begann. 



Ich selbst bin dann mit meiner Mutter und meinen beiden Kindern am 15. März nach Rosenberg gebracht worden und mit einer Fähre übers Haff nach Neutief. Es blieben jetzt nur noch einige ältere und kranke Dorfbewohner dort, die auch nicht mehr herausgekommen sind. Als letzte hat Frau Mathilde Wiechert am 27. März Balga verlassen. Das Haff war schon an vielen Stellen offen, und der Fußmarsch war eingestellt. Viele Soldaten hatten sich Flöße aus Türen und Brettern gemacht und fuhren über das Haff nach der Nehrung. In Neutief und Pillau haben sich dann noch viele Balgaer getroffen und wurden mit Schiffen nach Dänemark abtransportiert.

Sommerabend in Balga

von Bruno Paul Krause

Die Sonne sank. Des Mondes blasser Schimmer
liegt überm stillen Haff. Nur späte Segel gleiten
wie träumend in des Abends Dämmerweiten;
Um ihre Maste spielt ein blanker Flimmer.

Die nahe Burgruine ragt – ein stummer Schatten –
wie eine Silhouette in den Abendhimmel,
und Frieden deckt das Dorf, in dem der Welt Getümmel
und Unrast niemals Raum und Heimstatt hatten . . .  

Vom Flug der Fledermäuse knistert leis die Luft,
ein Abendlied verhallt auf Haffesweiten,
Landher weht reifen Kornes herber Duft – 
Die Burgruine träumt von alten Zeiten . . .  

Zwei Menschen stehen an des Haffes Strand
und halten innig sich umschlugen;
In ihrem Herzen klingt ein Lied vom Heimatland,
ein Lied, das ihre Lippen nie gesungen.

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